image Foto: Rolf Oeser

Podiumsdiskussion zum Fachgespräch mit Moderator Professor Christian Kolbe, Jörg Marx, Maren Schreier.

Auf dem Weg zur resilienten Stadtgesellschaft

Fachgespräch der Quartiersmanagements der Diakonie mit vielen Gästen

Die gesellschaftspolitischen Herausforderungen sind immens – Corona und die Folgen, Krieg in der Ukraine, Inflation, hohe Energiekosten und steigende Wohnungsnot zählen dazu. Quartiersmanager:innen sind in solch krisenhaften Zeiten besonders gefragt, wie Seismographen zeichnen sie die Bedürfnisse von Stadtteilbewohner:innen auf. Wie gelingt es, auf all diese gesellschaftlichen Veränderungen zu reagieren? – so lautete die Frage zum Auftakt des Fachgesprächs „Gemeinwesenarbeit und Quartiersmanagement im Jahr 2023“. Die fünf Quartiersmanagements der Diakonie Frankfurt und Offenbach in Preungesheim, der Nordweststadt, in Rödelheim-West, Riederwald und Fechenheim im Frankfurter Programm-Aktive-Nachbarschaft hatten dazu ins Historische Museum Frankfurt eingeladen.

Rund 80 Gäste, darunter Vertreter:innen des Jugend- und Sozialamtes, Ortsbeirät:innen, Mitarbeitende aus Sozialrathäusern und Wohnungsbaugesellschaften, Quartiersmanager:innen anderer Träger und engagierte Stadtteilbewohner waren der Einladung gefolgt.

Impulse kamen vom Podium unter Moderation von Professor Christian Kolbe, der Kommunale Sozialpolitik und Armutsprävention an der Frankfurt University of Applied Sciences lehrt. „Wir merken, dass das Elend zunehmend mehr wird, noch nie habe ich so viele Menschen im Müll nach Brauchbarem suchen sehen,“ sagte Referent Jörg Marx, Sozialplaner in Mülheim an der Ruhr. An die Quartiersmanager:innen gewandt bekannte er: „Wir als Kommunen sind verantwortlich, fahren Sie als Praktiker:innen den Stresslevel runter.“

Referentin Maren Schreier, Dozentin am Institut für Soziale Arbeit im Lebensverlauf in St. Gallen, stellte fest: „Im Quartiersmanagement gibt es geeignete Methoden, sehr unterschiedliche Menschen in Aushandlungsprozesse zu bringen.“ Gerade im Kleinen sei es wichtig, „Gehör zu finden, auf Augenhöhe in den Austausch zu gehen, je mehr wir das schaffen, desto mehr kommen wir aus Widersprüchen und Lähmungen heraus.“

Die Quartiersmanager:innen der Diakonie Frankfurt und Offenbach von rechts:
Andrea Munzert, Nikolaos Tsakmakis, Janina Korb, Leonore Vogt, Gerd Kieker, Heike Hecker. Foto: Rolf Oeser

Jörg Marx sagte, in Frankfurt seien Quartiersmanager:innen kein „politisches Feigenblatt“, die Kommunalpolitik analysiere vielmehr genau, was sie aus den Stadtteilen mit Quartiersmanagement erfahre. Ein Schlüssel sei es, als Stadtverwaltung die Planungs- und Gestaltungsverantwortung selbst in der Hand zu behalten. Als Beispiel aus Mülheim an der Ruhr nannte der Sozialplaner das städtisches Konzept gegen Familienarmut mit dem Titel „Gelingendes Aufwachsen“. Darin formuliert die Stadtverwaltung Handlungsempfehlungen und fragt unter anderem, ob es gelingen könne, preiswerten Wohnraum auch in besser aufgestellten Stadtvierteln zu realisieren. In Mülheim an der Ruhr gehe es um nichts weniger als den Aufbau einer „resilienten Stadtgesellschaft“, möglichst mit Fördermitteln des Landes.

Maren Schreier berichtete von der Mieter:innenbewegung im einst heruntergekommenen Hochausquartier Bremen Tenever. Ein breites Bürger-Bündnis rang dort viele Jahre um Verbesserungen, was schließlich im Beschluss des Bremer Senats mündete, ein städtebauliches Konzept zum Aufbau eines attraktiven zukunftsfähigen Quartiers zu entwickeln. „Dranbleiben an den Lebensverhältnissen der Menschen, Teilhabe ermöglichen und Handlungsspielräume erweitern“ nannte Schreier als gute Chancen für das Handeln im Quartiersmanagement.

Moderator Christian Kolbe erinnerte daran, dass „Sozialpolitik immer erstritten werden muss: Wer definiert, was das Problem im Stadtteil oder der Stadt ist? Wer hat an welcher Stelle welchen Hut auf und kann etwas erlauben oder verbieten?“ Es gehe immer um Macht.

Diakoniepfarrer Markus Eisele hatte in seiner Ansprache zum Fachgespräch konkrete Vorhaben in Frankfurt benannt: „Die Stadtverordnetenversammlung hat ein Bündnis gegen Kinderarmut beschlossen. Gut so!“ Er begrüßt zudem das Ziel des Jugend- und Sozialamtes, eine neue Sozialberichterstattung zu entwickeln, die qualitative, nicht nur quantitative Schwerpunkte setzt. Eisele befürwortet auch den Ansatz, eine Sozialraumplanung für Fechenheim-Süd zu beginnen: „Es geht um Angebote für Alleinerziehende, die weit überdurchschnittlich von Armut und Armutsgefährdung betroffen sind.“ Zudem kündigte der Theologe an, die Diakonie wolle im November eine Armutskonferenz starten.

Viel Stoff für die anschließenden fachlichen Gespräche in kleinen Gruppen, die sich lebhaft im Leopold-Sonnemann-Saal des Historischen Museums austauschten.


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