image Fotos: Frank Pichler

Aktuelle Ausstellung

Spuren des Himmels

Jan Schmidt zeigt in der Weißfrauen Diakoniekirche „Cluster sägen, zählen, zeichnen“

Der Frankfurter Künstler Jan Schmidt hat über Wochen und Monate in der Weißfrauen Diakoniekirche eine ganz besondere Zeichnung in einer der Deckenrauten geschaffen – mit einer Steinschleuder schoss er hunderte Kreidekügelchen hinein. „Es war schön und leicht“, erzählt Jan Schmidt im Gespräch während der Ausstellungeröffnung am 21. März. Aus einem 25 Kilo Sack mit champagnerfarbener Kreide, die er mit dem Bindemittel Traganth zu einem Teig anrührte, rollte er jede einzelne Kreidekugel mit der Hand, „wie Gnocchi“ sagt Schmidt und lächelt. In der Regel zielte er zwischen November und Februar drei Mal in der Woche für anderthalb Stunden mit der Steinschleuder in die mehr als zehn Meter hohe Decke in der Weißfrauen Diakoniekirche.

Im Moment sein
Manche der mehr als 60 Besucher:innen bei der Ausstellungseröffnung empfanden die Arbeit als meditativ. „Man ist im Moment,“ sagt Schmidt, „konzentriert, um die Kugeln nicht Gott weiß wohin zu schießen“. Wie ein Gruß aus dem Kosmos wirkt die Zeichnung auf eine Besucherin. „Jan Schmidts Arbeit öffnet uns einen imaginären Himmel“, sagt Kurator Thomas Kober. Er verweist in seiner Einführung auf das römische Pantheon mit offener Kuppel, das den Blick direkt zum Himmel und den Gestirnen lenkt. Für Christen, sagt Kober, ist der Himmel „der Ort des Thrones Gottes“. Ein weiterer Aspekt: „Jan Schmidt setzte für seine Zeichnung ein sehr kostbares Gut unserer Gesellschaft ein: Zeit.“

Himmelszeichen, die Spuren im Leben hinterlassen
Auf Sisyphos-Arbeit geht Diakoniepfarrer Markus Eisele in seiner Ansprache zur Ausstellungseröffnung ein. Manchmal trage auch die soziale Arbeit der Diakonie, die zum Beispiel im Untergeschoss der Diakoniekirche im WESER5 Diakoniezentrum geleistet wird, Züge von Sisyphos-Arbeit. Doch anknüpfend an Gedanken des Dichters Albert Camus: „Wir müssen uns Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen“, sagt Eisele. Jan Schmidts Werkzeug, die Steinschleuder, ist ebenfalls seit Jahrtausenden in Gebrauch, die Bibel erzählt von David, der sich gegen den mächtigen Goliath mit Hilfe der Steinschleuder durchsetzt: „Es ist eine archetypische Geschichte, in der sich der Kleine oder das Kleine gegen die Großen oder das Große durchsetzt“, sagt Eisele. Und: „Für mich verweisen Sie, lieber Herr Schmidt, in dieser geistlichen Umgebung auf die Spuren des Himmels hin, auf die basileia theou, die Königsherrschaft Gottes, die Herrschaft der Himmel in dieser Welt. Man kann diese Spuren übersehen. Man kann sie auch anders deuten. Aber es sind diese so oft übersehenen Himmelszeichen, die im Leben von Menschen Spuren hinterlassen.“

Aus dem Werkzeugkasten
Während der Ausstellungseröffnung präsentiert Kunsthistoriker Christian Berger das gerade erschienene Buch: „Cluster sägen, zählen, zeichnen“. Die 288 Seiten starke Monographie stellt Arbeiten von Jan Schmidt von 2015 bis heute vor. Sie wurde anlässlich der Ausstellung Rosso Levanto im Museum Goch in Kooperation mit der Galerie Anita Beckers herausgegeben. Christian Berger spricht davon, wie Jan Schmidt in dem Buch „seinen Werkzeugkasten öffnet“. Dies wirke zum einen demystifizierend. Die in dem Band vorgestellten künstlerischen Arbeiten Schmidts zeichne aber auch eine „Leichtigkeit“ aus, trotz des „erheblichen Zeitaufwandes, der großen Mühe und Anstrengung“ im Schaffensprozess. So wie die eleganten fossilen Schneckenhäuser, die Jan Schmidt aus einem abgerissenen Betonpfeiler herausarbeitete. Die Leichtigkeit zeigt sich auch in der Zeichnung in der Weißfrauen Diakoniekirche aus „gegen die Regeln der Schwerkraft gefallenen Kreidestaub“.

Eine Denkpause
Ratlosigkeit unter manchen Besuchenden löste Kurator Thomas Kober aus, als er zum Ende der Redebeiträge von der „vorläufig letzten Kunstausstellung“ in der Weißfrauen Diakoniekirche sprach.
„Wir machen eine Denkpause, um angesichts zu geringer Besucherzahlen eine neue Konzeption zur Revitalisierung der Kirche zu entwickeln“, stellte Markus Eisele, Theologischer Vorstand des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach später richtig und unterstreicht, dass selbstverständlich auch in Zukunft Ausstellungen in dieser so besonderen Kirche gezeigt werden sollen.

Ausstellungszeiten:
Die Weißfrauen Diakoniekirche öffnet auf Anfrage, Interessierte können einfach vorbeikommen und  an der Pforte klingeln, beziehungsweise mit Kurator Thomas Kober per E-Mail einen Termin vereinbaren:
thomas.kober@diakonie-frankfurt-offenbach.de

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