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Evangelische Kirche bietet mehrere neue Trauergruppen an
Vor dem Hospiz in der Rechnaigrabenstraße läuft eine Frau im schwarzen Mantel auf und ab. Sie schöpft Atem, wischt Tränen aus dem Gesicht. Gegenüber, auf der anderen Seite des Innenhofes, liegt das Büro von Christel Roßbach. Die freundliche Frau mit den halblangen Haaren sorgt für Trauernde: Mit neuen Angeboten geht die Koordinatorin für Evangelische Erwachsenenbildung und Seniorenarbeit auf die Bedürfnisse von Hinterbliebenen ein. Trauernde zu trösten, ist eine der Kernaufgaben der Kirchen, sagt Christel Roßbach. Die Kirchen haben jahrhundertelange Erfahrung damit, was Trauernden guttut und sie sind für sie da.
Im Grünen miteinander sprechen Im Gehen lässt sich‘s leichter reden und schweigen – deshalb startet im April das neue Format „Unterwegs mit Trauernden“. Mal führt ein Spaziergang nachmittags vom Grüneburgpark zum Botanischen Garten, mal an einem hellen Maiabend die Nidda zwischen Bonames und Berkehrsheim entlang oder an einem Samstag durch die idyllischen Schwanheimer Dünen. „Wir bieten drei Spaziergänge zu unterschiedlichen Tageszeiten mit längeren und kürzeren Wegen an, auch für Berufstätige“, sagt Christel Roßbach. Die Trauerbegleiterin und Meditationslehrerin Magdalene Lucas begleitet die Spaziergänge. Sie öffnet den Teilnehmer:innen Raum, um über das zu sprechen, was sie gerade beschäftigt. Mitgehen kostet zwischen fünf und 15 Euro, je nach Länge des Spazierganges. Anmeldungen für den ersten Spaziergang am Mittwoch, 10. April 2024, 15-17 Uhr, Treffpunkt Siesmayerstraße/Ecke Grüneburgweg, bitte bis zum 3. April, unter Telefon 069 92 10 56 678 oder E-Mail an christel.rossbach@frankfurt-evangelisch.de.
Neue Trauergruppe im April Manchmal liegt der Tod eines geliebten Menschen schon viele Jahre zurück und doch ist er noch nicht verarbeitet. Manche trauern um mehrere Personen, „die Trauer wird bei jedem Tod größer“, sagt Roßbach. Die Evangelische Kirche macht deshalb für Menschen, die eine Trauergruppe suchen, ein neues Angebot mit der Referentin Monika Müller-Hermann, einer erfahrenen Trauerbegleiterin, Diplom-Psychologin und Psychoonkologin. Das Evangelische Stadtdekanat fördert die Gruppe finanziell, die Evangelische St. Petersgemeinde ist Kooperationspartnerin. Die neue Trauergruppe startet am 18. April und trifft sich bis zum 7. November zehn Mal jeweils donnerstags von 18 bis 20 Uhr. Die Teilnahme kostet 110 Euro inklusive Vorgespräch.
Fachtag über das Sterben im Alter Mit dem Sterben im Alter befasst sich der Fachtag „Spiritualität und Alter“ am Dienstag, 18. Juni. In Vorträgen und Workshops erklingen beispielsweise Trost- und Trauerlieder, es geht um Kunsttherapie in der palliativen Begleitung oder das Dazwischensein zwischen Festhalten am Leben und dem Wunsch zu sterben. Die Kosten liegen inklusive Verpflegung bei 25 Euro. Anmeldung bitte bis zum 31. Mai per E-Mail an altenseelsorge@ek-ffm-of.de oder unter Telefon 069 20 45 76 40 30. Viel Wissen ist verloren gegangen Sterben, Tod und Trauer, sagt Christel Roßbach, werde immer noch ambivalent gelebt. Zwar suchten immer mehr Leute Trauergruppen, um das Erfahrene zu verarbeiten. Aber das Wissen um den Sterbeprozess oder wie man Trauernden kondoliert, lasse immer mehr nach. „Die Leute werden viel älter als früher, die Kinder leben woanders, Sterben und Tod sind Themen, die ein Stück weit gar nicht mehr bedacht werden.“ Andererseits erlebt die Gemeindepädagogin auch, dass viele Angst vor dem Sterben haben und – ähnlich wie beim Kaiserschnitt zu Beginn des Lebens – auch den Tod kontrollieren möchten und einen assistierten Suizid erwägen. Weil der Erfahrungsschatz verlorengeht, und viele nicht mehr wissen, wie sie sich in Trauerfällen verhalten sollen, wird die Evangelische Erwachsenenbildung im Herbst ein Kondolenzseminar anbieten.
Trauergruppe Weiterleben trifft sich erstmals am 20. März In ihrem Frühjahrsprogramm macht Christel Roßbach noch ein weiteres neues Angebot: Die „Trauergruppe Weiterleben“. Sie richtet sich an alle, die in ihrem Alltag ohne die Verstorbenen schon einige Schritte gegangen sind. „Die Erinnerung und die Trauer sind Teil ihres Lebens geworden.“ Gespräche, Lieder, kleine Rituale und Zeiten der Stille geben Kraft auf dem Trauerweg. Start ist am Mittwoch, 20. März, weitere Treffen sind am 10. Juli und am 13. November, jeweils mittwochs von 18-20 Uhr in der Evangelischen Cyriakusgemeinde in Rödelheim. Die Teilnahme kostet 30 Euro, Magdalene Lucas leitet die Trauergruppe an.
Kontakt, Information und Anmeldung, wenn nicht anders angegeben: Telefon 069 92 105 66 78 oder E-Mail christel.rossbach@frankfurt-evangelisch.de
Weißfrauen Diakoniekirche lädt zu Impulsen und Musik in der Mittagspause ein
„Sie wissen nicht, was sie tun“, dieses im Lukasevangelium überlieferte Gebet Jesu am Kreuz ist der Ausgangspunkt für die drei Mittagsgebete mit Orgelmusik, die während der Passionszeit in der Weißfrauen Diakoniekirche an der Weserstraße/Ecke Gutleutstraße zu erleben sind. Den Auftakt macht am Mittwoch, 13. März 2024, um 12 Uhr der Sozialethiker Wolfgang Nethöfel. Seine Gedanken zum Thema steuert Diakon Werner Fuchs am Mittwoch, 20. März, ebenfalls um 12 Uhr bei. In der Karwoche am Mittwoch, 27. März, 12 Uhr endet die Reihe der Passionsandachten mit dem Impuls von Diakoniepfarrer Markus Eisele.
Manfred Scheyko begleitet die 30-minütigen Mittagsgebete an der Orgel. Kurator der Reihe ist Thomas Kober.
Eröffnung der Ausstellung von Jan Schmidt in der Weißfrauen Diakoniekirche
Von November 2023 bis Februar 2024 schickte Jan Schmidt mit einer Steinschleuder tausende von Kreidekügelchen an die Decke der Weißfrauenkirche Diakoniekirche. Jede Kugel hinterließ eine Spur an der mehr als zehn Meter hohen Decke, bevor sie wieder zu Boden fiel. So schuf der Frankfurter Konzeptkünstler in einem stundenlangen Prozess über mehrere Monate hinweg scheinbar absichtslos eine Zeichnung, die an Ansammlungen von Sternen denken lässt. Kurator Thomas Kober beobachtete den Künstler dabei wie er, die Schwerkraft überwindend, diszipliniert ins Zentrum einer der Deckenrauten zielte – „mit großen Abweichungen“, sagt Kober. Für den Kurator der Diakoniekirche ist die Arbeit von Jan Schmidt „eine Initialzündung, er hat den Kirchenraum geöffnet, wir können ein Stück weit den Himmel zeigen“. Am Donnerstag, 21. März 2024 um 18 Uhr sind alle herzlich zur Präsentation der Zeichnung und zu einer Buchpräsentation in die Weißfrauen Diakoniekirche, Weserstraße/Ecke Gutleutstraße eingeladen. Es sprechen Diakoniepfarrer Markus Eisele, Kurator Thomas Kober und der Kunsthistoriker Christian Berger.
Sisyphos-Arbeit
Zentrales Thema in den Arbeiten von Jan Schmidt ist die Auseinandersetzung mit Zeit: „Er hat Zeit im Überfluss und er setzt sie für scheinbar Sinnloses ein, um unseren Effizienz- und Optimierungsprozessen etwas entgegenzusetzen“, sagt Kurator Thomas Kober. Auch das Zersägen eines Marmorblocks im Museum oder das Zählen und nummerieren der Blätter eines Strauchs sind in den Augen von Thomas Kober Sisyphos-Arbeiten: „In all diesen kraftraubenden zeitraubenden scheinbar sinnlosen Prozessen entwickelt sich etwas, es ist wie ein Spiegel, den Jan Schmidt gegen unser durchoptimiertes Ordnungssystem setzt.“
Buchpräsentation über Arbeiten von Jan Schmidt
Wer mehr über die Arbeiten von Jan Schmidt erfahren möchte, hat dazu bei der Buchpräsentation während der Ausstellungseröffnung Gelegenheit: „Cluster sägen, zählen, zeichnen“ heißt die neue 288 Seiten starke Monographie von Jan Schmidt, die seine Arbeiten von 2015 bis heute zeigt. Sie wurde anlässlich der Ausstellung Rosso Levanto im Museum Goch in Kooperation mit der Galerie Anita Beckers herausgegeben und enthält einen Text von Stephan Mann, Direktor des Museums Goch sowie ein Gespräch zwischen Jan Schmidt und dem Kunsthistoriker Christian Berger.
Ausstellungszeiten
Die Weißfrauen Diakoniekirche öffnet auf Anfrage, Interessierte können einfach vorbeikommen und an der Pforte klingeln, beziehungsweise mit Kurator Thomas Kober per E-Mail einen Termin vereinbaren: thomas.kober@diakonie-frankfurt-offenbach.de
Pilotprojekt Stadtteilflüsterinnen startet in Preungesheim
An ihren pinken Taschen sind sie zu erkennen: Die fünf neuen Stadtteilflüsterinnen aus Preungesheim. Kebe Kahsay und ihre vier Kolleginnen sind im Quartier unterwegs, um Bewohnerinnen zu informieren und zu ermutigen, Angebote zu nutzen, die zu ihrer Lebenssituation passen. Zum Beispiel Sozialberatung, Sprachcafés, Nähkurse, Mietberatung, Formularsprechstunden oder Frauentreffs mit Kinderbetreuung. Das Pilotprojekt des Quartiersmanagements Preungesheim der Diakonie Frankfurt und Offenbach wird von der Commerzbank-Stiftung mit 50.000 Euro gefördert.
Ziel ist es, Frauen und ihre ganze Familie zu stärken. Wie wichtig dies ist, haben die Stadtteilflüsterinnen selbst erlebt. Nun wollen sie ihre Sprachkenntnisse, ihr Wissen und ihre Netzwerke nutzen, um Frauen einzubeziehen, die sich nicht über Flyer, Aushänge oder Internet informieren, sondern viel besser über den direkten Kontakt und eine persönliche Empfehlung ansprechbar sind. „Viele Frauen trauen sich nicht, weil sie denken, sie sprechen nicht gut genug deutsch – wir wollen die Barriere für sie brechen“, sagen die Stadtteilflüsterinnen, Samira Massi, Kebe Kahsay, Christina Schmidt, Khadija El Bakkali und Mariyam El Ghazouani.
„Als ich vor 15 Jahren nach Preungesheim gezogen bin, fühlte ich mich verloren, weil ich nicht wusste, was es hier alles gibt,“ erzählt Kadija El Bakkali. Die gebürtige Düsseldorferin hatte in verschiedenen Firmen gearbeitet. Während sie ihre vier Kinder großzog, blieb sie zuhause. „Nette Frauen“ halfen ihr, im Stadtteil Fuß zu fassen. Jetzt unterstützt die fließend arabisch sprechende Frankfurterin andere Frauen. Auch Christina Schmidt, die selbst zwei kleine Schulkinder hat, hilft anderen Eltern bei Fragen zum Thema Schule und übersetzt für sie aus dem Ukrainischen und Russischen. Als die Frauen vom neuen Projekt Stadtteilflüsterinnen erfuhren, bewarben sie sich dafür.
„Wir hoffen, dass wir mit dem Pilotprojekt Frauen und Familien erreichen, die bisher nichts von den vielen tollen Möglichkeiten in Preungesheim wussten,“ sagt Nanine Delmas, die Leiterin des Jugend- und Sozialamtes der Stadt Frankfurt. Im Jugend- und Sozialamt sind auch die Quartiersmanagements beheimatet, die die Stadt im „Frankfurter Programm – Aktive Nachbarschaft“ fördert.
17 Frauen hatten sich auf den Aufruf, Stadtteilflüsterin zu werden, beworben, erzählt Quartiersmanagerin Andrea Munzert. Zusammen mit Projektkoordinatorin Geysa da Silva wählte sie fünf Frauen aus, Mehrsprachigkeit und ein gutes Netzwerk zu Frauen in Preungesheim waren Auswahlkriterien. „Ein Anlass, das Projekt Stadtteilflüsterinnen zu initiieren, war unser Wunsch, alleinerziehende Frauen zu erreichen, die es schwer haben, hier im Stadtteil anzukommen, da sie gar keine Zeit haben, wahrzunehmen, welche Angebote es für sie gibt“, sagt Munzert. Mit Heike Heuberger, Vorständin der Commerzbank-Stiftung, fand das Quartiersmanagement eine kongeniale Partnerin. „Die Stiftung fördert bundesweit viele Anliegen, aber wir sind auch sehr an Frankfurt interessiert. Gemeinsam mit dem Quartiersmanagement haben wir das Projekt Stadtteilflüsterinnen initiativ aufgesetzt. Denn wir wollen Teilhabe vor Ort, bei den Menschen im Quartier, stärken. Ich bin stolz auf die fünf starken Stadtteilflüsterinnen.“
Die Commerzbank-Stiftung:
Seit über 50 Jahren unterstützt die Commerzbank-Stiftung bundesweit über 1.000 Programme und Projekte in den Bereichen Kultur, Soziales und Wissenschaft. Es ist ihr Ziel, einen nachhaltigen Beitrag für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu leisten. Als aktiv fördernde Stiftung arbeitet sie mit Einrichtungen und Initiativen zusammen, die mutig neue Wege gehen und damit letztlich einen bundesweiten Vorbildcharakter haben. Darüber hinaus vergibt sie in ihren Förderbereichen Kultur und Soziales jeweils eigene bundesweite Preise. Neben ZukunftsGut, dessen Konzept 2019 mit dem AKF-Award des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet wurde, ist dies der Preis ZukunftsWege, welcher 2023 erstmalig gemeinnütziges Engagement im Übergang von der Schule in den Beruf ausgezeichnet hat.
Weitere Informationen: · www.commerzbank-stiftung.de
Pfarrerin Tanja Sacher ist Seelsorgerin für ukrainische Geflüchtete
Seit September 2023 ist Tanja Sacher von der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau mit der Seelsorge für Menschen aus der Ukraine mit einem Stellenumfang von 50 Prozent beauftragt. Die Stelle ist befristet bis Dezember. „Danach kann sie nicht weiter finanziert werden“, sagt Sacher. Und: „Ich bin dankbar, dass die EKHN diese Stelle geschaffen hat. Aber in der verbleibenden Zeit wird der Krieg wohl leider nicht beendet und die Menschen nicht wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Der Bedarf an Seelsorge, Beratung und Unterstützung wird eher wachsen“.
Zwischen Heimat und neuem Zuhause
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am 24. Februar 2022 engagiert sich die evangelische Pfarrerin für Geflüchtete aus der Ukraine. Zunächst wurde sie von ihrem damaligen Kirchenvorstand der St. Georgsgemeinde in Steinbach an den Frankfurter Flughafen entsandt, um die dort Ankommenden zu unterstützen. „Sehr viele dachten damals, dass sie nur ein paar Wochen hierbleiben und dann wieder nach Hause fahren können.“ Nach zwei Jahren Krieg, ohne ein Ende in Sicht, wird ihnen aber immer klarer, dass sie sich in Deutschland auf mehr als einen vorübergehenden Aufenthalt einstellen müssen. „Das ist alles andere als leicht für die Menschen, denn sie sind und bleiben ja weiter intensiv mit ihren Liebsten in der Ukraine verbunden. Das Herz ist und bleibt in der Ukraine und trotzdem schaffen sie es, sich hier wohlzufühlen, die Sprache zu lernen, sich zu integrieren und ein neues Leben aufzubauen“, sagt die Pfarrerin. Die Kraft der Menschen, vor allem der ukrainischen Frauen, bewundert sie zutiefst.
Kirche mit Auftrag
Für Seelsorgerin Tanja Sacher, die russisch spricht, ist es ein Anliegen, Ukrainer:innen zur Seite zu stehen, ob am Flughafen oder am Krankenbett, ob durch Beratung oder Vermittlung an andere Gesprächspartner:innen oder auch bei gemeinsamen Seelsorge-Spaziergängen. Ob es darum geht, einem Kind einen Apfelsaft zu besorgen oder einer Person dabei zu helfen, mit Alpträumen, Panikattacken oder Schuldgefühlen besser umgehen zu können – wer die Frage stellt: „Was brauchst Du?“ – muss mit allem rechnen. „Wenn wir als Kirche unseren diakonischen Auftrag ernstnehmen“, sagt Tanja Sacher, „dann muss es uns an allererster Stelle um den Nächsten gehen. Was braucht er oder sie? Und was kann ich dazu beitragen? Was sonst soll unser Auftrag als Kirche sein, wenn wir das Doppelgebot, das Jesus uns aufgetragen hat, umsetzen?“
Behörden sind telefonisch schwer erreichbar und vielfach im Homeoffice
Die Behörden in Offenbach sind auch nach der Corona-Pandemie nur schwer erreichbar. Beratungen, beispielsweise für Anträge auf Bürgergeld, übernehmen vielfach Wohlfahrtsverbände und andere Organisationen. Aber dafür brauchen sie mehr Stellen und eine auskömmliche Finanzierung.
Dies machten Vertreterinnen des Evangelischen Regionalverbandes Frankfurt und Offenbach, des Caritasverbands Offenbach und des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes kürzlich während eines Pressegespräches deutlich.
Sie wollten „kein Verwaltungs-Bashing“ betreiben, sondern „eine konstruktive Lösung“ mit der Stadt Offenbach finden, betonten die Verbände. Die Allgemeinen Lebensberatungen des Caritasverbands Offenbach und des Evangelischen Regionalverbands in Offenbach verzeichnen eine „absolute Steigerung der Fallzahlen bei geringem städtischen Zuschuss und perspektivischem Rückgang der Kirchensteuermittel“. Für einen Antrag auf Bürgergeld müssten leicht mal 50 DIN A4-Seiten bearbeitet und eingescannt werden, umfangreiche Nachforderungen der Behörde nach weiteren Unterlagen seien da noch nicht einberechnet.
Der Zulauf zur Allgemeinen Lebensberatung hat aber auch „mit Vertrauen zu tun, wir behandeln die Menschen nicht als Bittsteller, sondern mit Respekt“, sagt Barbara Schwab, Beraterin beim Evangelischen Regionalverband in Offenbach. „In der Allgemeinen Lebensberatung sind wir aber auch noch für die anderen Probleme da, die Menschen haben, zum Beispiel akute Krisen oder Schwierigkeiten in der Partnerschaft – doch dafür gibt es nicht mehr genügend Kapazität“, sagt Anja Frank-Ruschitzka, Bereichsleiterin Beratung und Therapie.
Michael Franke, Leiter des Evangelischen Zentrums für Beratung in Offenbach berichtet, dass eine ganze Reihe von Klienten Probleme mit der Digitalisierung haben, die die Behörden vorantreiben. „Ein paar von ihnen kommen zu uns, aber es ist unklar, wie viele scheitern und hinten runterfallen, weil sie keine Hilfe erhalten.“ Barbara Schwab schlüpft in ihren Mantel und sagt zum Abschied: „Der nächste Beratungstermin ruft.“
Bewegende Diskussion in der Evangelischen Akademie zur ForuM-Studie mit Kirchenpräsident Volker Jung und Forscher Harald Dreßing
Die Geschichte ist schmerzhaft, selbst beim bloßen Zuhören. Als seine Mutter vor einem Jahr starb, dachte Matthias Schwarz lange darüber nach, ob er zu ihrer Beerdigung kommen kann. Denn die Trauerfeier in seinem Heimatort wurde genau in der Kirche abgehalten, in der ihm unfassbares Leid angetan wurde. Er sei dann doch gefahren, aber die Wiederbegegnung mit dem Ort, an dem er missbraucht wurde, habe ihn länger beschäftigt erzählt Matthias Schwarz den Zuhörenden im vollbesetzten Saal der Evangelischen Akademie Frankfurt.
Erste öffentliche Diskussion
Am Aschermittwoch wurde in der Evangelischen Akademie erstmals öffentlich über die ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie gesprochen. Professor Harald Dreßing vom Forschungsverbund ForuM setzte in einem einleitenden Vortrag Impulse und ging auf dem Podium in den Austausch mit dem Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) Volker Jung sowie mit Matthias Schwarz von der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN und Betroffenenvertreter im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der EKD und Dewi Suharjanto, Projektleiterin der Missbrauchsstudie im Bistum Limburg.
Viele Fragen aus dem Publikum
Auch die Zuhörer:innen im Saal meldeten sich zu Wort, nutzten rege die ausliegenden Zettel, um ihre Fragen, Einsichten oder Appelle an das Podium zu richten. Publikumsanwältinnen trugen ihre Fragen vor: zu nicht ausgewerteten Akten beispielsweise oder ob der Staat die Missbrauchsfälle aufarbeiten sollte, manche fragten, wohin sich Betroffene wenden sollen oder wollten wissen, wie eine Seelsorge der Zukunft gestaltet werden könnte. Denn, so hatte Professor Dreßing eingangs die Studienergebnisse zusammengefasst, insgesamt 511 der 1259 Beschuldigten waren Pfarrpersonen. Immer wieder hatten die Forschenden betont, die 2250 in der Studie genannten Missbrauchsfälle seien nur die „Spitze der Spitze des Eisberges“.
Macht und sexualisierte Gewalt gleich in der Ausbildung thematisieren
Matthias Schwarz, der trotz der Belastungen durch seine Geschichte Pfarrer wurde, inzwischen in Ruhestand, nannte in Bezug auf Seelsorgesituationen Beispiele aus seiner Praxis: So habe er in Seelsorgegesprächen dafür gesorgt, dass ein geschützter Raum entstand, in dem aber zugleich auch sein Gegenüber vor ihm geschützt war. Einzelgespräche mit Konfirmanden führte er im Gemeindehaus, während dort andere Personen anwesend waren oder in der von außen gut einsehbaren Kirche und er legte die Gespräche zeitlich so, dass die Konfirmanden immer zu zweit oder zu dritt kamen. Dass die Themen Macht und sexualisierte Gewalt dringend in die Ausbildung künftiger Theologinnen und Theologen integriert werden müssen, darin waren sich Matthias Schwarz, Forscher Harald Dreßing und Kirchenpräsident Volker Jung einig.
Der mächtigste Mann an der Spitze der Landeskirche
Auf die Frage von Moderatorin Claudia Keller, Chefredakteurin von Chrismon, wie er damit umgehe, der mächtigste Mann an der Spitze der EKHN zu sein, antwortete Volker Jung sehr nachdenklich: „Es ist Macht da, auch Pastoralmacht, auch in Arbeitsbeziehungen“. Es gelte, „selbstkritisch zu reflektieren, was mache ich mit der Macht?“ Mit einem persönlichen Coach bespreche er, wie er damit umgehe.
In seinem Vortrag hatte Professor Dreßing in Bezug auf die beschuldigten Pfarrpersonen von einem Missbrauch pastoraler Macht gesprochen. Betroffene erlebten eine „doppelte Traumatisierung“ sie seien durch sexualisierte Gewalt und zusätzlich in ihrer Spiritualität verletzt, sagte der Psychiater.
Mängel beim Umgang mit Akten und Informationen
In Bezug auf die Personalakten empfahl der Forscher, die Landeskirchen sollten nacharbeiten. Die Forschenden der ForuM-Studie erlebten eine fehlende Verschlagwortung der Akten, die meisten Landeskirchen hätten auch nicht ausschließen wollen, dass Akten verschwunden seien. Beim Wechsel Beschuldigter in andere Landeskirchen seien Fälle nicht sauber in Akten dokumentiert worden, so dass aufnehmende Landeskirchen nicht wussten, wen sie aufnehmen. Informationen seien teilweise nur mündlich gelaufen. Auch die Ansprechpersonen für Betroffene hätten unterschiedlich protokolliert, was die Betroffenen ihnen sagten, und dies zum Teil nur mündlich an ihre Nachfolger:innen weitergegeben. Wenn Präventionsmaßnahmen implementiert wurden, seien Betroffene unzureichend einbezogen worden und die Ressourcen für Prävention nicht beschrieben worden. „Hinter jeder Zahl steckt ein Mensch“ sagte Dreßing und verwies auf die gravierenden gesundheitlichen und emotionalen Folgen für Menschen, denen sexualisierte Gewalt angetan wurde. Missbrauch habe es in allen Kontexten gegeben, in Gemeinden, in der Jugendarbeit, in Heimen, durch Erzieherinnen oder Kirchenmusiker.
Erst aufklären, dann aufarbeiten
Für die Zukunft riet der Forscher: „Wir sind noch in der Phase der Aufklärung.“ Aufklärung und Aufarbeitung sollten nicht vermischt werden. Und „auf keinen Fall“ sollte jede Landeskirche nach ihrem Gusto handeln. Vielmehr seien einheitliche Standards vonnöten, die Archive sollten von externen Rechtsanwaltskanzleien nach einheitlichen Standards gesichtet werden. Auch interdisziplinäre Kommissionen sollten, mit einer gesetzlichen Grundlage versehen, in Archive gehen dürfen. Die Politik sei da „sehr zögerlich“. Wahrheitskommissionen einzurichten, auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, befürworte er.
Nicht mehr bürokratisch kalt reagieren
Auch Kirchenpräsident Volker Jung sagte, „staatliche Unterstützung wäre gut.“ Er bekannte sich zu seiner „Verantwortung, dass Betroffenen gut begegnet wird.“ Er fragte: „Was heißt das, als Verwaltung so zu agieren, dass die Betroffenen das als Hilfe wahrnehmen.“ Teilweise seien Schreiben an Betroffene „bürokratisch kalt“ ausgefallen. Jung: „Eine andere Sprache muss gesprochen werden, und wir müssen uns permanent in den Strukturen weiterentwickeln.“ Zum Thema Akten sagte Jung, die EKHN habe zusätzlich Beschwerdeakten ausgewertet, elf Fälle seien so entdeckt worden.
Beschuldigte leugnen die Tat
Professor Dreßing wies daraufhin, dass ein Großteil der Beschuldigten die Tat bestreitet. Er sagte, es sei wichtig, möglichst viele Strafverfahren anzustrengen, Täter müssten bestraft und aus dem Verkehr gezogen werden. Bei den zahlreichen Fragen aus dem Publikum kam auch das Statement: „Bitte zwingt uns nicht zur Anzeige, dann übt ihr wieder Gewalt gegen uns aus.“ Zwei Seelsorgerinnen standen im Anschluss an die Veranstaltung für Gespräche zu Verfügung.
Anlaufstellen für Betroffene: Akute Hilfe bei der Telefonseelsorge (24h-Dienst) 0800-11 10 222
Zentrale Anlaufstelle.help: Unabhängige Information für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie 0800-50 40 112 https://www.anlaufstelle.help
Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der EKHN: https://www.ekhn.de/themen/null-toleranz-bei-gewalt/infos/ansprechpersonen
Weitere Informationen zur ForuM-Studie finden Sie hier.
Cristina C. ist nach sieben Jahren Obdachlosigkeit in eine feste Unterkunft gezogen
Cristina C. kommt die Treppe herunter, schließt die Haustür auf und wirft einen kurzen Blick nach draußen. Seit dem vergangenen Winter hat sie eine feste Bleibe mitten im Bahnhofsviertel. Sie kommt gut aus mit den Menschen, die hier auf der Straße liegen und lagern, wenn sie morgens um vier Uhr zur Arbeit geht und später wieder zurückkommt. „Ich habe kein Problem mit den Leuten, sie sind sehr ruhig, sie leben in ihrer Welt und mischen sich nicht ein.“ Vor wenigen Monaten noch wohnte C. zusammen mit ihrem Lebensgefährten illegal in einer Gartenhütte. Hier, im Bahnhofsviertel, ist es ihr erstes festes Zuhause nach sieben Jahren auf der Straße.
Sich ausruhen, die Heizung anmachen Cristina C. ist glücklich, denn hier, in dem Zimmer mit Bad und Küchennische, kann sie bleiben, sich ausruhen, die Heizung aufdrehen. Die Gartenhütte, erzählt sie, gibt es nicht mehr, Leute kamen, denen der Garten gehört und haben sie abgerissen. Nicht nur eine Wohnung, auch einen Job fand die 48-Jährige mit Unterstützung der Diakonie Frankfurt und Offenbach.
Arbeit bei einer Putzfirma Bei der Putzfirma geht es morgens um fünf Uhr los. Dreieinhalb Stunden am Tag reinigt C. Räume und Flure, bevor die Student:innen in den Hörsälen Platz nehmen. Mit ihrem Teamkollegen versteht sie sich super, sagt Sozialberater Qutaiba Al Jendi vom WESER5 Diakoniezentrum. Er übersetzt Wort für Wort aus dem Rumänischen. Cristina C. steht früh morgens auf, gegen drei Uhr, so wie damals in der Gartenhütte. Nur jetzt hat sie eine kleine Küchenzeile, auf der sie ihren Kaffee aufsetzt. Keine Gasflaschen mehr und keine Planen, die manchmal den Regen durchlassen, kein Wind mehr, der zwischen Bretter und Planen fährt. Das Wasser muss sie jetzt auch nicht mehr mühsam Liter für Liter am Friedhofsbrunnen holen oder im Winter im Supermarkt kaufen. Jetzt geht sie frühmorgens unter die Dusche, dreht die Heizung auf und trinkt Kaffee, anstatt stundenlang mit dem Trolley draußen in der Kälte Pfandflaschen zu suchen.
Hilfe im WESER5 Diakoniezentrum Cristina C. hat es geschafft, sich von einem jahrelangen Leben ohne Obdach zu befreien. Mehrmals in der Woche kommt sie noch ins WESER5 Diakoniezentrum. Nach und nach gelang es ihr dort, ihre Angelegenheiten zu regeln, beispielsweise die fehlenden Ausweispapiere zu besorgen. Ihren Weg in eine Unterkunft und in einen Teilzeitjob begleitete Sozialberater Qutaiba Al Jendi.
Medikamente auf der Fensterbank Das Zimmer, in dem die aus Rumänien stammende Frau und ihr Lebensgefährte untergebracht sind, ist einfach, bietet aber, was sie brauchen: Zwei Betten, eine kleine Küchenzeile, Tisch, zwei Stühle, einen Schrank und ein Bord mit Fernseher. Unter den Betten stehen die Schuhe aufgereiht, Medikamente liegen auf Fensterbank und Nachttischen, zeugen davon, dass das jahrelange Leben, erst unter der Brücke dann in der zugigen feuchten Gartenhütte, tiefe Spuren im Körper hinterlassen hat.
Besser Deutsch lernen als nächstes Ziel Einmal blitzen Cristina C.s Augen auf und sie lächelt: „Ich lerne Deutsch, drei Stunden am Tag in der Volkshochschule.“ Schon jetzt erlebt sie beim Einkaufen, dass die Leute freundlicher zu ihr sind. Wenn sie mehr Deutsch spricht, wird das noch besser werden.
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Bestseller-Autorin begeistert im Zentrum für Frauen mit Lesung und persönlichen Einblicken
Gebannte Stille herrscht im Aufenthaltsraum des Zentrums für Frauen der Diakonie in Frankfurt. Aufmerksam lauschen die Frauen den Ermittlungen von Pia Sander und Oliver von Bodenstein in dem Vermisstenfall Larissa, der schon bald zu einem neuen Mordfall wird. Und die große Frage, nachdem Nele Neuhaus mit dem Vorlesen aus ihrem neuen Krimi „Monster“ aufhört ist: „… und wie geht es jetzt weiter?“ Die bekannte Krimiautorin aus dem Taunus war zum zweiten Mal im Zentrum für Frauen, auch für sie ist die Begegnung mit wohnungslosen Frauen eine Herzensangelegenheit.
Nele Neuhaus liest im Zentrum für Frauen. Foto: Susanne Sperling
Zwischen den einzelnen Kapiteln erfuhren die Zuhörerinnen viele kleine Anekdoten aus dem Leben von Nele Neuhaus. Die Namen ihrer Figuren aus den unterschiedlichen Büchern leiht sie sich beispielweise von Freunden, Verwandten oder Fans. Auch ihre Nachbarin ist im neuen Krimi vertreten. Und bei der authentischen Darstellung von Jugendlichen hat ihre Tochter ihr geholfen.
Ihre Tochter Zoé brachte Nele Neuhaus zum Besuch auch gleich mit. Die beiden schauten sich vor Beginn der Lesung die Räume im Zentrum für Frauen an, auch die Notübernachtung mit zehn Plätzen für obdachlose Frauen im Winter sowie den 17-Ost Tagestreff, Lilith-Wohnen für Frauen und die verschiedenen Beratungsstellen.
Das Angebot, eine Autogrammkarte mitzunehmen und/ oder ein Selfie mit der Bestseller-Autorin zu machen, nahmen viele Frauen dankbar an, im Nu entwickelten sich schöne Gespräche mit der bodenständigen freundlichen Nele Neuhaus.
Inga Störkel, die Leiterin des Zentrums für Frauen am Frankfurter Zoo, freut sich sehr über den Besuch der bekannten Autorin. „Ich hoffe sehr, dass wir das noch öfter wiederholen können“, sagt Störkel, „denn wenn Nele Neuhaus den Auftakt im neuen Jahr macht, wird es ein gutes Jahr.“ Die Achtung und Wertschätzung, die die Frauen von der weltbekannten Autorin erfahren, tut den Frauen unglaublich gut.
Über die Diakonie Hessen entstand der Kontakt für die Lesung für Bewohnerinnen und Besucherinnen des Zentrums für Frauen, denn Nele Neuhaus wirbt als Botschafterin für die Kampagne #wärmespenden. Und die ein oder andere Zuhörerin wird den Schlafsack der Kampagne wiedererkannt haben, in dem sie warm und sicher in der Notunterkunft des Zentrums für Frauen einschlafen kann.