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Im Schatten des Waldes ist die Hitze erträglich, aber die meisten obdachlosen Menschen halten sich in der heißen Stadt auf. Foto: Susanne Schmidt-Lüer.

„Diese Hitze ist unerträglich“

Auf Tour zu obdachlosen Menschen mit Dominik Theilmann vom WESER5 Diakoniezentrum

Dominik Theilmann legt kalte Wasserflaschen in die geräumige Fahrradtasche und los geht’s. Dieser Juli-Tag ist superheiß und auch der Fahrtwind auf dem E-Bike kühlt nicht wirklich. Der Sozialarbeiter des WESER5 Diakoniezentrums flitzt Richtung Mainufer, macht Halt unter einer Mainbrücke. Dort im Schatten sitzen drei Männer, freuen sich über die kalten Wasserflaschen und die gelben Käppis gegen die Sonne. Einer der Männer hat den Arm verbunden: „Ich wurde an der Hand operiert“, erzählt er. Keine Freude in dieser Hitze. Eigentlich muss er zum Arzt, um den Verband zu wechseln. Draußen zu schlafen ist da nicht optimal, sagt er. Seit drei Jahren sei er geschieden, habe das Sorgerecht und eigentlich ein Zuhause in Erfurt, aber seine Ex-Frau ziehe nicht aus.  „Heute ist es warm“, sagt sein Kumpel „37 Grad“ antwortet Theilmann und reicht kleine Fläschchen mit Sonnencreme an die drei obdachlosen Männer. Er muss weiter, auf seiner regelmäßigen Tour durch die heiße Stadt.

Sozialarbeiter Dominik Theilmann packt Flaschen ins Eisfach für seine nächste Tour zu obdachlosen Menschen. Foto: Susanne Schmidt-Lüer

Wasser und eine Zigarette
Seine nächste Station ist ebenfalls am Mainufer. Unter einer Brücke beugt er sich zu einer Frau, die dort auf den Steinen am Ufer liegt, gibt ihr Wasser, klopft für sie eine Zigarette aus der Packung. Die Frauen und Männer von der Aufsuchenden Sozialarbeit des Diakoniezentrums WESER5 der Diakonie Frankfurt und Offenbach sehen regelmäßig nach der Frau. „Vielen Dank“, ruft sie zum Abschied.

Ich bin nur obdachlos
Theilmann tritt in die Pedale, fegt durch die heißen Straßen von Sachsenhausen. In einer kleinen Parkanlage sitzen zwei obdachlose Männer im Schatten von   Büschen und Sträuchern. Ihre Sachen stehen in Plastiktaschen unter einer Parkbank, ein ausrangierter Sonnenschirm ist darüber gespannt. „Oh ist das kalt“, sagt einer der Männer freudig, als ihm der Sozialarbeiter eine Wasserflasche anbietet. „Unerträglich“ finden die beiden Männer die Hitze, „da fällt einem nichts mehr ein“, sagen sie und fragen: „Was soll man eigentlich essen?“ Salz wäre gut, man schwitzt so viel aus, überlegen sie, aber Salz haben die Männer nicht. Seit vier Jahren mache er Platte erzählt Herr D. Als Kind kam er aus Serbien nach Deutschland. Sein größter Wunsch: „Ein Ruhepol, man braucht seine heiligen vier Wände.“ Aber eine kleine Wohnung zu finden ist aussichtslos für ihn. „dabei bin ich kein Kleinkrimineller, kein Dieb, sondern nur obdachlos, aber ich bin unfähig, mich dagegen zu wehren.“ Jetzt lebt er Tag und Nacht draußen, mit „flegelhaften Menschen oder Drogensüchtigen in Sammelunterkünften“ möchte er nicht übernachten, „da komme ich nicht klar“. Seine Stimme klingt weich und freundlich. Er ist froh über seinen Kumpel, der die meiste Zeit schweigt, nur ab und zu nickt. „Man überdauert halt und hofft auf das Beste“, sagt Herr D., Die beiden Männer würden sich gerne im kalten Wasser erfrischen, „der Main ist ja nicht weit, aber es ist verboten, da reinzuspringen, überhaupt gibt es in Frankfurt wenig Brunnen und wenig Wasser“. Ab und zu geht Herr D. duschen im Hygienecenter im Hof des WESER5 Diakoniezentrums. „Aber nach einer Nacht draußen riecht es wieder mockig, das ist ein komisches Gefühl, ich ertrage das nicht.“ Auch wenn die beiden sehr harmonisch und freundschaftlich zusammen sitzen sagen sie: „Der Schein trügt, das ist der Horror, der reinste Überlebenskampf“. Beide haben schon erlebt, wie Menschen sie auf ihrer Platte angreifen wollten. Im Moment, bei der Hitze, sei es relativ ruhig gerade. Dominik Theilmann erinnert sie daran, ordentlich Wasser zu trinken „und nicht nur Klaren“.

Geeiste Flaschen für den heißesten Tag der Woche
Weiter geht’s mit dem Rad zu einem Mann, der im Wald lebt. Es ist kühler im Grün, Stoffstücke und Äste schützen die Platte, aber ihr Bewohner ist nicht da. Dominik Theilmann steuert die letzte Station dieses Nachmittags an, den Baseler Platz. Fährt eine kurze Runde durch die kleine Grünanlage. Mit geübtem Blick sieht er Menschen aus der Drogenszene, Reisende, die mit ihrem Gepäck im Schatten auf den Fernbus warten und Wohnungslose, die sich hier aufhalten. Alle sitzen im Schatten, Theilmann muss nicht eingreifen und dreht ab, zurück in das WESER5 Diakoniezentrum. Für seine Runde am nächsten Tag packt er die kleinen Wasserflachen direkt ins Eisfach. Es soll der heißeste Tag der Woche werden: „Da freuen sich die Leute, wenn die Flaschen vereist sind und lange kalt bleiben.“

Das WESER5 Diakoniezentrum, Weserstraße/Ecke Gutleutstraße im Frankfurter Bahnhofsviertel sucht regelmäßig obdachlose Menschen auf, das Frankfurter Stadtgebiet ist zwischen den Hilfsorganisationen aufgeteilt und sie tauschen sich untereinander aus. Das WESER5 Diakoniezentrum freut sich über Spenden von kleinen Sonnencremefläschchen 50ml, 0,5 Liter Wasserflaschen, Kappen und Deos. Der Empfang in der Weserstraße 5 ist rund um die Uhr zur Spendenannahme geöffnet.

Mehr zum WESER5 Diakoniezentrum

Wenn Sie einen Menschen hilflos in der Hitze sehen, können Sie:
eine Flasche Wasser verschenken
die Menschen auf Augenhöhe ansprechen und fragen, ob sie etwas brauchen
Die städtische Hotline für soziale Notlagen anrufen: 069 212 700 70.
Den „Hitzebus“ anrufen, Telefon: 069 43 14 14.


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