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Großes Jubiläumsfest an Fronleichnam in der jugend-kultur-kirche st.peter
Ein ganzer Tag zum Feiern: Am Donnerstag, 19. Juni 2025 (Fronleichnam), lädt das Evangelische Stadtjugendpfarramt Frankfurt und Offenbach zur großen Geburtstagsparty in die jugend-kultur-kirche sankt peter, Bleichstraße 33, in Frankfurt ein, um seine Gründung vor 75 Jahren zu feiern. Das Programm beginnt um 15 Uhr mit einem fröhlichen Festgottesdienst. Die Predigt hält Professorin Christiane Tietz, Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Musik spielt „se Bänd“.
Nacht der Lichter beim Treffen des Evangelischen Stadtjugendpfarramtes für Konfirmandinnen und Konfirmanden. Foto: Mathis Eckert
Dance-Party und Lichtermeer Im Anschluss gibt es Geburtstagstorte und ein Meet & Greet, bei dem frühere haupt- und ehrenamtlich Engagierte an Stehtischen ihre Highlights erzählen, gefolgt von Spiel, Spaß und vielen kreativen Angeboten. Nach dem Abendessen startet um 19.15 Uhr ein Konzert mit „DeletedPage“ und Dance-Party, parallel dazu kann man draußen an der Feuerschale zur Gitarre singen und Stockbrot rösten. Der Abendsegen mit Lichtermeer um 21.30 Uhr rundet den Tag ab.
Nahrung geben – ein Leben lang Im Jubiläumsjahr schaut die „Fachberatung der Kirchengemeinden zu Kinder- und Jugendarbeit“ auch auf ihre bewegte Geschichte zurück und auf die Themen, die sie von Anfang an prägten: Beteiligung, informelle Bildung und Begleitung von jungen Menschen. Stadtjugendpfarrer Rasmus Bertram nennt Kirche einen „besonderen Ort, der wie eine Futterkrippe Nahrung und Orientierung gibt, ein Leben lang.“ Kinder und Jugendliche sollen Kirche als kraftspendenden Ort entdecken und immer wieder dorthin zurückzukehren –das ist das Credo der Arbeit, im Hier und Jetzt, betont Bertram. Denn wer sagt „Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft“ vergisst etwas ganz Wichtiges: „Kinder und Jugendliche sind jetzt da. Bleiben sie heute nicht, sind sie morgen weg.“
Junge Menschen in den Mittelpunkt stellen In den Kirchengemeinden, weiß Rasmus Bertram, gibt es nämlich viele Themen, Beerdigungen beispielsweise, die sich nicht aufschieben lassen. Junge Menschen und ihre Anliegen in den Mittelpunkt zu rücken – dafür ist das Stadtjugendpfarramt da. Und es unterstützt Kinder und Jugendliche dabei, ihre eigene Persönlichkeit zu entdecken und zu entfalten, selbst sprechfähig zu werden und sich in kirchlichen und städtischen Gremien zu beteiligen und mitzugestalten.
Jugendliche suchen Orientierung Welche Themen Jugendliche beschäftigen? „Klimaschutz, Queer-Sein oder einfach authentisch sein, Chancengleichheit, Diskriminierung aufgrund sozialer Herkunft (Klassismus), Ängste wegen des Wiedererstarkens rechter Kräfte, die Frage nach dem Wehrdienst, der Ukraine-Krieg und Kriege allgemein“, zählt Referent Frank Daxer auf. Er sagt: „Es herrscht viel Ungewissheit, Jugendliche suchen Orientierung.“ Rasmus Bertram ergänzt: „Insbesondere der Prozess EKHN 20230 beschäftigt Jugendliche, die sich kirchlich engagieren. Sie sind mehr als andere auf zu ihnen passende Räume angewiesen. Für sie geht es um alles, wenn sie fragen, ‚haben wir hier keinen Platz mehr?‘“.
Das Stadtjugendpfarramt ist für alle jungen Menschen da Für wen ist das Stadtjugendpfarramt eigentlich da? Frank Daxer zögert keine Sekunde: „Wir sind für alle da, es geht mit den Krabbelgottesdiensten los, mit Angeboten für Kinder bis 13 und für Jugendliche zwischen 14 und 27 Jahren.“ Die Mitgliedschaft in der Kirche, sagt Daxer, ist keine Voraussetzung.
Jubiläum – Stadtjugendpfarramt Ffm-OF
Ein Blick in 75 Jahre Stadtjugendpfarramt
1950: kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges steht die Hilfe für heimatlose Jugendliche und Geflüchtete im Fokus 1954: In der Stalburgstraße 38 wohnen 30 Jugendliche, die durch den Weltkrieg obdachlos geworden waren 1959: Der Jugendclub für berufstätige Mädchen eröffnet 1950er Jahre: Erste ökumenische Ferienfreizeiten nach England und Polen, zur Verständigung zwischen einstigen Kriegsgegnern 1950er und 1960er Jahre: Das Huthparkfest an Fronleichnam steht für Aufbruch, Gottesdienst, Musik und Beisammensein 1960: „Der Anker“, das erste Klubhaus der Evangelischen Jugend an der Wilhelm-Leuschner-Straße, ist täglich geöffnet, bietet 14 Klub- und Werkräume und eine Pepsi-Bar. Ganz wichtig: Die Mitgliedskarte. 1967: Beginn der Aufarbeitung des Holocaust, Hörspiel über Oscar Schindler, der 1500 jüdische Bürger:innen gerettet hatte Ende der 1970er Jahre: Das Stadtjugendpfarramt und seine Tochtervereine gründen Jugendhäuser zum Beispiel das Jugendhaus Am Bügel, am Heideplatz und das Internationale Kinderhaus an der Wiesenhüttenstraße. GAG, die Gottesdienst Ag macht innovative Gottesdienste von Jugendlichen für die ganze Gemeinde. 1975: Bildungsnotstand, Angst vor Prüfungen, Numerus Clausus und mehr treibt Schüler:innen und Eltern um, das Stadtjugendpfarramt greift das auf. 1990: Das Stadtjugendpfarramt richtet Schulsozialarbeit dauerhaft ein 1970er und 1980er Jahren: Aufklärung über Jugendreligionen ist ein Thema und die Milchbar eröffnet in der Stalburgstraße 38, sie ist bis heute ein Treff für Schüler:innen. 1980: Aus dem StaJu geht der Evangelische Verein für Jugendsozialarbeit hervor 1981: Der erste Motorradgottesdienst denkt an die verstorbenen Biker:innen 1981: Das Stadtjugendpfarramt wird Teil der Protestbewegung gegen die geplante Startbahn West am Frankfurter Flughafen. 1985: Die Schulendtage bieten Orientierung für die Zeit nach dem Schulabschluss. 1987-1996: Der Intertreff-Jugendkiosk in der Hauptwache informiert über Jugendreisen und andere Angebote. 1993: Engagement gegen Ausländerfeindlichkeit, insbesondere nach dem Anschlag auf die Familie Genç in Solingen 1994: Reisen nach Nicaragua und Besuche des Dichters und ehemaligen Kulturministers Ernesto Cardenal 2000: Gründung von hin und weg –Evangelische Jugendreisen 2000- 2015: Multikulturelle Kontexte, Brückenbau zwischen Lebenswelten, Religionen und Generationen, Bildung fachspezifischer Referate, Einrichtungen und Vereine 2007: Eröffnung der jugend-kultur-kirche sankt peter 2015 – heute: Jugendliche ertüchtigen, Kirche und Gesellschaft mitzugestalten Neuordnung der Jugendverbandsarbeit, KonfiCamp als jährliches Großprojekt, Entwicklung digitaler Formate und Social Media
Hessischer Innenminister besucht Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt
An einem Ort, an dem Abschiede meist schmerzhaft und endgültig sind, war am heutigen Tag Raum für Begegnung, für Anerkennung – und für leise Hoffnung. Der hessische Innenminister Dr. Roman Poseck besuchte die Abschiebungsbeobachtung am Frankfurter Flughafen und würdigte die Arbeit der Menschen, die sich dort tagtäglich dafür einsetzen, dass während der Abschiebungen die Würde der Einzelnen gewahrt bleibt. Seit fast 20 Jahren gibt es die Abschiebungsbeobachtung von Diakonie und Caritas am Frankfurter Flughafen. Gegenwärtig beobachten Melisa Ergül-Puopolo, im Dienst des Evangelischen Regionalverbands Frankfurt und Offenbach, und Finn Dohrmann, Abschiebebeobachter für den Caritasverband der Diözese Limburg, die Rückführungen am größten deutschen Flughafen. Beide Halbtagsstellen werden zum Großteil über kirchliche Mittel finanziert. Das Land Hessen beteiligt sich seit 2019 und Innenminister Poseck überbrachte heute die Bescheide für das laufende Jahr in Höhe von je 14.685 Euro. „Es freut mich, die Bescheide erstmals persönlich auszuhändigen und damit den Trägern meine Wertschätzung für ihre wertvolle Arbeit auszudrücken. Der Austausch ist wichtig, um die gegenseitigen Perspektiven zu kennen und einzuordnen. Hierzu werden wir auch weiter im Gespräch bleiben,“ sagte Poseck bei seinem Besuch am Frankfurter Flughafen.
Wenn Fälle zu Geschichten werden „Was ist, wenn ein Mensch mit laufender Chemotherapie am Flughafen steht?“, fragte Melisa Ergül-Puopolo den Innenminister. Sie berichtete ihm von einer schwerkranken Frau, die trotz ihrer Krebsbehandlung zur Abschiebung gebracht worden war, – nur das beherzte Eingreifen aller Beteiligten ermöglichte es, dass sie zunächst in Deutschland bleiben und ihre Chemotherapie fortsetzen konnte. Es sind genau diese Einzelfälle, die den Unterschied machen: nicht Zahlen, sondern Schicksale. Finn Dohrmann sprach von Menschen in Todesangst, von Abschiebungen in Länder, in denen ihnen Verfolgung oder gar der Tod droht. Er erinnerte an einen jungen Mann aus der LGBTIQ*-Community, der nach Gambia gebracht werden sollte – ein Land, in dem Homosexualität unter Strafe steht.
Menschlichkeit braucht System Der Limburger Diözesancaritasdirektor Dr. Karl Weber dankte im Namen der Träger für die Unterstützung des Landes Hessen und betonte die besondere Verantwortung der Kirchen für vulnerable Gruppen in der Rückführung, insbesondere für Kinder und Menschen mit gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen. Doris Peschke, von der Diakonie Hessen und Moderatorin für das Forum Abschiebung am Flughafen Frankfurt, fordert: „Wir brauchen klare länderübergreifende Standards, bessere Zusammenarbeit der Behörden untereinander – aber auch vorrangig verstärkte Angebote zur freiwilligen Rückkehr.“ Der Minister zeigte sich beeindruckt von den Berichten und der moralischen Verantwortung der beiden Beobachter:innen. Er übergab nicht nur Förderbescheide, sondern nahm auch die klare Botschaft mit: Wer über Abschiebung spricht, darf nicht aufhören, über Menschlichkeit zu reden.
Ein Angebot zum Dialog Dass Caritas und Diakonie ihre Expertise auch in Schulungen für Polizei oder Ausländerbehörden einbringen wollen, traf auf offene Ohren. „Wir dürfen nicht wegsehen, wenn Menschen in existenzielle Notlagen geraten – gerade dann, wenn staatliches Handeln unausweichlich ist“, sagte Poseck.
Transparenz, Verantwortung – und Mitmenschlichkeit Die kirchlich getragene Abschiebebeobachtung ist Mahnerin: für einen humanen Rechtsstaat, der seine Verfahren mit Herz und Verstand ausführt. Und für eine Gesellschaft, die auch im letzten Moment noch hinsieht.
300 Kinder demonstrieren in der Frankfurter Innenstadt
„Geburtstag Feiern“ steht auf dem Plakat, das ein Mädchen stolz durch die Bleichstraße trägt. Auf der Demo für Kinderrechte kurz vor Pfingsten läuft sie in der ersten Reihe. Kinder aus der Frankfurter Innenstadt, ihre Familien und Kita-Mitarbeitende sind gekommen, um für das Recht auf ein gutes Leben auf die Straße zu gehen. Kinder im Alter von 1-12 lernten dieses Recht aus der UN-Kinderrechtskonvention während der Frankfurter Aktionswoche „Stadt der Kinder“ gut kennen.
Kuchen und Spielplätze Geburtstag feiern, ein Kuchen, Spielplätze, warme Kleidung – das verbinden Mädchen und Jungen aus dem Kinder- und Familienzentrum Innenstadt der Diakonie Frankfurt und Offenbach mit einem guten Aufwachsen, erzählt Leiterin Maria Spathopoulou. Geld, sagt sie, wünschen sich die Kinder nicht. Sie haben sich mehrere Wochen lang mit den Artikeln 6 und 27 der UN-Kinderrechtskonvention spielerisch und kreativ auseinandergesetzt: Mit ihren Rechten auf Leben, angemessene Lebensbedingungen und gutes Aufwachsen. Und sie stellen nun während der Demo ganz konkrete Forderungen.
Großer Demozug der Kinder aus der Innenstadt.
Haben wirklich alle Kinder ein Recht auf Spaß? Vom Roten Platz, dem Spielplatz in der Eschenheimer Anlage, sind sie zur Hauptwache gestartet, begleitet von Trommler:innen. Den Sternmarsch und das Kinderrechtefest organisierten die Kindertageseinrichtungen in der Frankfurter Innenstadt: Die Kitas Liebfrauen und St. Leonhard sowie die Erweiterte Schulische Betreuung (ESB) Liebfrauen des Caritasverbands und das KiFaZ Innenstadt der Diakonie zusammen mit dem Zentrum Familie vom Haus der Volksarbeit. Ob wirklich alle Kinder das Recht auf Spaß und Lebensfreude haben, fragten Kinder, und warum es Unterschiede zwischen Arm und Reich gibt. Neben einem Kinderrechte-Rap, Straßenkreide-Graffiti und vielem mehr gab es beim Kinderrechtefest an der Hauptwache auch eine besondere Begegnung, auf die sich die Kinder gut vorbereitet hatten.
Malen beim Kinderrechtefest auf der Hauptwache.
Wenn Kinder fragen – und Erwachsene wirklich antworten OB Mike Josef, Schirmherr der Demo, hat sich auf das rote Sofa an der Hauptwache gesetzt – und hört erstmal zu. Warum gibt es zu wenig Schattenplätze? Wieso sind Schulhöfe am Wochenende geschlossen? Warum stört sich niemand an den vielen Zigarettenstummeln? Warum gibt es so viele Obdachlose in der U-Bahn? Und was wollen Sie dagegen tun? Mike Josef antwortet. Lang, ausführlich, zugewandt. Dann spricht er über Stadtplanung, Begrünung, Verantwortung. Und über das, was Städte lebendig macht: Räume zum Spielen, Plätze zum Begegnen, Orte zum Dazugehören. Nicht abstrakt. Sondern konkret – mit Anekdoten aus dem Alltag und einem Blick auf das, was möglich ist, wenn man es wirklich will.
Du musst an Dich glauben, sagt OB Mike Josef Dann stellt Ruben die Frage, die eigentlich alle interessiert: „Wie wird man eigentlich Oberbürgermeister?“ Die Antwort von Mike Josef ist beeindruckend. Er erzählt von seiner Fluchtgeschichte vor vielen Jahren aus Syrien, vom Aufwachsen mit Vorurteilen, von Schulwegen ohne Privilegien. Und davon, wie er es dennoch geschafft hat – weil Menschen an ihn glaubten und weil er gelernt hat, an sich selbst zu glauben. „Alle kochen nur mit Wasser“, sagt er zu den Kindern. „Lasst euch nicht einreden, dass ihr etwas nicht könnt. Wenn ihr etwas verändern wollt – fangt an. Ihr könnt alles schaffen.“ Diese Stunde war eine Einladung an die Stadtgesellschaft: Hört zu, wenn Kinder fragen. Nehmt ihre Perspektive ernst. Ihre Fragen sind oft besser als unsere Antworten. Und ihre Wünsche – nach mehr Mülleimern, mehr Respekt, mehr Spiel – sind keine Nebensache. Sie sind Kern unserer Verantwortung. Denn wer Kindern zuhört, hört Zukunft. Und wer an sie glaubt – gestaltet sie mit.
Die inklusive Margarete-Steiff-Schule feiert ihre Gründung vor 40 Jahren
Eine Schule ohne Noten, ohne Stundenausfälle und mit extra großen Räumen – das klingt wie ein Traum. Aber die Margarete-Steiff-Schule, eine private Schule mit Grund- und Förderschulklassen gibt es wirklich. Mitte Juni feiert sie 40 Jahre Bestehen. „Unser Leitspruch heißt: „Stärken stärken und Schwächen schwächen“, sagt Schulleiterin Ilka Sehnert. Das klingt verblüffend einfach und leuchtet sofort ein.
Ein vierköpfiges multiprofessionelles Team betreut eine Klasse mit 22 Kindern Die Wurzeln der Vorreiterin für gelebte Inklusion in der Schule liegen im Kindergarten der Evangelisch Französisch-reformierten Gemeinde, wo Kinder mit und ohne Beeinträchtigung zusammenspielten und lernten. Dieses Konzept sollte auch nach der Kindergartenzeit in der Grundschule weitergelebt werden. Und so eröffnete am 23. April 1985 die erste Integrative Schule Frankfurts. Mit Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 änderte sich die Blickrichtung: Inzwischen hat jedes Kind ein Recht auf inklusive Bildung, alle Grundschulen und weiterführenden Schulen sind verpflichtet, inklusiv zu arbeiten, erklärt Sehnert. Doch auch heute noch arbeitet keine andere Schule in Frankfurt wie die inklusive Margarete Steiff-Schule. Unter den 22 Kindern einer Klasse sind fünf mit Beeinträchtigung. Ein multiprofessionelles Team aus vier Personen steht ihnen zur Seite, eine Grund- und eine Förderschullehrkraft sowie eine sozialpädagogische Fachkraft und ein junger Mensch im Freiwilligen Sozialen Jahr oder Bundesfreiwilligendienst arbeiten Hand in Hand, deshalb gibt es auch keine Unterrichtsausfälle.
Gemeinnützige private evangelische Schule Die Trägerschaft der gemeinnützigen Privatschule liegt seit der Gründung beim Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach und der Evangelisch Französisch-reformierten Gemeinde Frankfurt. Diese sowie die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, die Stadt Frankfurt am Main, der Magistrat (Stadtschulamt), das Hessische Kultusministerium sowie die Sozialrathäuser unterstützen die Schule finanziell. Zudem wird ein einkommensabhängiges Schulgeld erhoben.
Schule ohne Leistungsdruck In der Schule ohne Leistungsdruck steht das inklusive soziale Miteinander, das Zusammenleben und Lernen auf der Basis christlicher Werte im Mittelpunkt. Da ist ganz klar, dass Kinder und Erwachsene gemeinsam zu Mittag essen: „Wir kochen selbst in der Schule, in Bio-Qualität“, sagt Geschäftsführerin Astrid Kosmalla-Geyer.
Fakten und Zahlen: In der inklusiven Margarete-Steiff-Schule an der Platenstraße in Frankfurt-Ginnheim leben und lernen 176 Schulkinder in acht Klassen, verteilt auf vier Jahrgangsstufen alle gemeinsam. Jede Grundschulklasse hat Platz für 22 Kinder, fünf von ihnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Der Tag der offenen Tür: Am Samstag, 14. Juni 2025, von 10 bis 14 Uhr sind alle interessierten Kinder und Erwachsenen herzlich zum Tag der offenen Tür in der Margarete-Steiff-Schule an der Platenstraße 75 eingeladen. Die Ergebnisse der Projektwoche rund um 40 Jahre Schule und Inklusion werden präsentiert, für Kinder gibt es zahlreiche Mitmachangebote und auch das Spielmobil ist da. Es gibt Süßes und Herzhaftes.
www.m-steiff-schule.de
Großes Team aus Diakonie und Kirche startet beim J.P. Morgan Corporate Challenge
Silke Zenkner dreht die Musik im Hof des Dominikanerklosters hoch. Gerade machen sich die letzten Läuferinnen und Läufer auf den Weg. „Jacke an oder aus“ ist die Frage. Eine junge Frau ist unschlüssig, schaut kurz in den beginnenden Nieselregen und bindet sie sich um die Taille. 5,6 Kilometer lang ist die Strecke, 64.000 machen diesmal mit in Frankfurt, beim weltweit größten Firmenlauf J.P.Morgan Corporate Challenge. Mitten unter ihnen: 148 Läuferinnen und Läufer aus Evangelischer Kirche und Diakonie. Erstmals mit dabei: Teams aus der Regionalen Diakonie Hessen und Nassau, die gemeinsam mit dem Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach, dem Evangelischen Stadtdekanat und dem Evangelischen Verein für Jugendsozialarbeit starten.
Riesenspaß beim Riesenevent „Dabeisein ist alles“, sagt Katharina Feyll, die im Innenhof des Dominikanerklosters darauf wartet, dass es losgeht. „Bei mir geht es ums Ankommen“, sagt sie augenzwinkernd „ich musste erst 60+ werden, um mitzumachen.“ Jetzt ist sie zum zweiten Mal dabei, mit „Riesenspaß beim Riesenevent.“
Zum Anfeuern kommen Silke Zenkner und Linda Rosenau vom Orga-Team geben gut gelaunt die kleinen Rucksäcke mit Startnummern und Finisher-T-Shirts aus. Anfangs, 2017, war die Zahl der Startenden deutlich kleiner, „jetzt sind wir so viele“, freut sich Silke Zenkner. Fenna Carda vom Team SICHTWEISEN, Frühförderung für Kinder mit Blindheit und Sehbehinderung, ist zum ersten Mal dabei. Team-Kollegin Tanja Misof hat sie motiviert, mitzulaufen: „Sie brachte es immer wieder in unsere Team-Sitzungen ein.“ Eigentlich läuft Fenna Carda sonst nicht, sie hält sich bei der TG Bornheim fit. Zwei Frauen von den Mutter-Väter-Kind-Einrichtungen der Regionalen Diakonie Wiesbaden-Rheingau-Taunus sind Läuferinnen, leider ist eine der beiden mit dem Fuß umgeknickt und kommt nun zum Anfeuern.
Dreamteam: Silke Zenkner (li) und Linda Rosenau. Foto: Tanja Botthof
Mitten im Team, das unter dem Motto: „Besser alle zusammen“ läuft, steht Stadtdekan Holger Kamlah. Er läuft schon viele Jahre, lange auch Marathon, und nennt Laufen „eine meiner liebsten Sportarten“. Die rhythmische Bewegung, der freie Kopf, die Verbindung von Geist und Körper machen es aus: „Ich freue mich auf den Lauf.“
Keine Angst vor Seitenstechen Team-Captain Alexander Vogt, der alle Teilnehmer:innen im Dominikanerkloster begrüßt und zum Beisammensein nach dem Lauf einlädt, hat keine Angst vor Seitenstechen: „Wir sind bestens vorbereitet mit den Lauf-Treffs vorab.“ Auch der aufziehende Regen tut der super Stimmung keinen Abbruch: „Augen zu und durch“, sagt Vogt und erinnert an ein Motto aus den Vorjahren: „Komme was da wolle, wir laufen…“
Team-Captain Alexander Vogt. Foto: Tanja Botthof
Noch ein paar Zahlen: Mit einer Zeit von 23:15 Minuten kam der Schnellste im Team aus Kirche und Diakonie ins Ziel, die durchschnittliche Laufzeit lag bei beachtlichen 41:52 Minuten. Gemeinsam Dabeisein, Teamgeist spüren, Teil eines Ganzen Werden – das feiert das Lauf-Team zum Ausklang fröhlich im Innenhof des Dominikanerklosters.
Lauf-Spaß trotz Regen. Foto: Tanja Botthof
Team-Geist. Foto: Tanja Botthof
Sozialministerin Heike Hofmann besucht die Diakonie Frankfurt und Offenbach
Heike Hofmann öffnet die Tür, um das Badezimmer anzuschauen. Die Hessische Ministerin für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales ist Ende Mai zu Gast bei der Diakonie Frankfurt und Offenbach und besucht gerade Lea –Wohnen für Frauen. Die 38 Apartments für wohnungslose Frauen liegen in der Nähe der Konstablerwache. Leiterin Mehri Farzan berichtet ihr von Frauen, die sich nach jahrelanger Partnerschaft trennen möchten und bei Lea unterkommen, zum Beispiel von einer 70-Jährigen, die nach 40 Jahren Ehe sagt: „Ich kann nicht mehr.“ Bei Lea wohnt sie nun, gefördert vom Landeswohlfahrtsverband, für zwei Jahre in einem möblierten Apartment mit Küche und Bad, das Büro der Sozialarbeiterinnen ist nah. „Wir haben Frauen aus allen Schichten, auch eine promovierte Frau wohnt hier“, sagt Farzan. Lea wurde 2021 eröffnet, „eine einzigartige Einrichtung“, sagt Diakoniepfarrer Markus Eisele, der die Ministerin und ihren Grundsatzreferenten Eberhard Pausch begrüßte.
Statt Arbeit in die Obdachlosigkeit Beim anschließenden Gespräch in der Diakonie an der Kurt-Schumacher-Straße erfährt die Ministerin, wo bei den diakonischen Einrichtungen für wohnungslose Menschen in Frankfurt und Offenbach der Schuh drückt. Henning Funk, Leiter des WESER5 Diakoniezentrums im Frankfurter Bahnhofsviertel sagt, dass zunehmend Menschen ohne Anspruch auf Sozialleistungen kämen: „Wir bräuchten spezialisierte Stellen für deren Beratung.“ Und er ergänzt, dass Familien aus Osteuropa in Frankfurt auf Arbeit hoffen, aber aufgrund fehlender Deutschkenntnisse den Weg in die Arbeitswelt nicht finden. „Wir müssten sie sofort beraten, damit sie gar nicht erst in die Spirale Obdachlosigkeit und Sucht geraten.“ Diakoniepfarrer Markus Eisele gibt der Ministerin mit auf den Weg, darüber nachzudenken, ob Stadt und Land hier gemeinsam ein Pilotprojekt starten könnten. Die Ministerin antwortet, dass eine Sofortberatung als Pilotprojekt überlegt wurde, allerdings auch mit Blick auf eine Hilfestellung zur Rückkehr von Personen, die sich von Deutschland offenbar völlig unrealistische Dinge erhofften.
Ich muss morgen ausziehen Von zwei Welten, die sich direkt jenseits der Stadtgrenze zu Offenbach auftun, berichtet Thomas Quiring, der das diakonische Zentrum für Wohnungslose in Offenbach leitet. „Es fehlt bezahlbarer Wohnraum. Viele Frankfurter ziehen nach Offenbach, aber wo sollen dann die Offenbacher:innen hin? Wir erhalten viele Anrufe in unserer Fachberatung, die Leute sagen uns: ‘Ich muss Morgen ausziehen‘.“
464 Gäste pro Tag in der Bahnhofsmission Markus Eisele berichtet der Ministerin von der Bahnhofsmission Frankfurt, die Diakonie und Caritas gemeinsam tragen. 464 Gäste kommen dort pro Tag. Finanziert wird die Arbeit überwiegend aus Kirchensteuermitteln, sie liegen in einem hohen sechsstelligen Bereich. „Die Kosten steigen bei gleichzeitig gedeckelten Zuschüssen der Stadt.“ Auch wegen sinkender Mittel der Kirchen fordert Eisele Unterstützung auf Bundesebene: „Wenn wir es nicht in den Griff kriegen, fallen uns ganze Kettenglieder aus dem Sozialsystem raus.“ Ministerin Heike Hofmann zollt der geschilderten Arbeit „Respekt“ und nennt es einen „großen Fehler“, das eine Vermögens- und Erbschaftssteuer nicht Gegenstand des Koalitionsvertrages auf Bundesebene waren. Sie verspricht, an den empfangenen Impulsen weiterzuarbeiten und sie wird wiederkommen: „Wir bleiben im Kontakt.“
Awat Seddighi N. ist angekommen – dank den Frauen am Frankfurter Berg
Im Erdgeschoss an der Julius-Brecht-Straße 1 steht die Tür zum Frauentreff am Frankfurter Berg einladend offen, Nähmaschinen werden ausgepackt, Kaffee brodelt, Tee steht bereit. Awat Seddighi N. sitzt am Tisch, vor sich einen DIN A4-Ordner. „Er enthält mein ganzes Leben“, sagt die 44-Jährige. Pass, Bachelorabschluss und viele andere Dokumente sind dort abgeheftet. Sie musste sie sich wiederbeschaffen, denn bei der Flucht aus dem Iran konnte Awat keine Unterlagen mitnehmen. Im Iran hatte sie Bildende Kunst und Theater studiert, war elf Jahre als staatliche Kunstlehrerin tätig, brachte jedes Jahr ein Theaterstück auf die Bühne. „Das war voll cool“, sagt sie und strahlt beim Weitererzählen: „Bei uns im Iran, da, wo ich geboren bin, war die Kunst die Leidenschaft und die Freude. Das Theater gehört zu allen Schichten, Bauern und Lehrerinnen kamen, Kinder und Erwachsene, ein buntes Publikum.“ In Awats Heimat, der kurdischen Stadt Mariwan, gibt es jedes Jahr ein Straßentheaterfestival: „Theaterleute aus aller Welt kommen, es ist eine riesige Freude.“
Ich war isoliert In Frankfurt fühlte sich Awat Seddighi N., die im Iran in einer großen Familie lebte und nie alleine war, zunächst isoliert. Seit rund fünf Jahren hat sich das geändert, als eine Freundin sie auf den Frauentreff der evangelischen Kirche am Frankfurter Berg aufmerksam machte: „Wir haben richtig Spaß hier“, sagt sie und meint die Frauen aus den verschiedensten Nationen, die sich zum Nähen, Tee trinken und Aktivitäten planen am Frankfurter Berg treffen. „Wenn ich Stress habe, komme ich hierher, um runterzukommen und mit Frauen zusammen zu sein. Und ich merke: Dann geht es mir besser.“
Jetzt kann Awat Kunst unterrichten Ihre C1 Deutschprüfung hat Awat bestanden, mit den Unterlagen in ihrem schwarzen Ordner kann sie jetzt als Kunstlehrerin arbeiten. Und andere beim Theaterspielen anleiten.
Mehr auf Frauen am Frankfurter Berg
„landunter“ ist die evangelische Mailseelsorge von jungen Leuten für junge Leute
Land unter – den Begriff kennen alle. Auch wenn Jugendliche das heute nicht mehr so sagen würden, wissen sie genau, was gemeint ist. Land unter das heißt, „ich weiß nicht wie es weitergehen soll“, „mir ist alles zu viel“, „ich habe niemanden, mit dem ich reden kann“. „landunter“, so heißt die Mailseelsorge der evangelischen jugend-kultur-kirche sankt peter von jungen Menschen für junge Menschen. 100 Prozent anonym, kostenlos, vertraulich, datengeschützt. Leiterin ist die 29-jährige Theologin Julia Piretzis. Sie kann sich gut in die 14-25-Jährigen hineinversetzen, die an das Seelsorgeportal eine Nachricht senden. Viele schreiben, wie einsam sie sich manchmal fühlen, auch in einer Gruppe. landunter, so ist das Versprechen, antwortet ihnen binnen 48 Stunden. 1000 Follower:innen, aber niemand zum Reden Das geht so: Julia Piretzis wählt unter den ehrenamtlichen Seelsorgenden, die selbst zwischen 20 und 26 Jahre alt sind, eine Person, die antwortet und Ansprechpartnerin bleibt. Die Seelsorgenden sind mit ihrer Lebensrealität nah an den Schreibenden und kennen die Gefühle und Erlebnisse aus eigener Erfahrung. „Sie vermitteln in ihren Antworten, dass niemand alleine ist, weil es auch andere gibt, die so empfinden, dass alles, was jemand fühlt, normal ist, und dass sie das Problem verstehen.“ Julia Piretzis sagt, bei landunter melden sich junge Menschen, die vor allem auf Social Media gut vernetzt sind, aber trotz vieler Freunde und Follower niemanden zum Reden haben. Keiner will wissen, wie es ihnen wirklich geht. Das führt dazu, dass viele junge Menschen sich sogar in einer Gruppe einsam fühlen, während sie gleichzeitig das Gefühl haben, dass es anderen Gleichaltrigen leichtfällt, sich in Menschengruppen zu bewegen. Vor allem nach dem Lockdown tun sich junge Menschen oft schwer, soziale Kontakte verbindlich zu halten. Wieder Worte für die eigenen Gefühle finden „Nicht nur die Kontakte auf Social Media sind sehr oberflächlich, auch der emotionale Wortschatz ist ziemlich klein geworden“, sagt die Theologin. Sie begleitet die Ausbildungskurse für junge Leute in sankt peter, die Seelsorger*innen bei landunter werden wollen: „Wer sich bei uns für eine Ausbildung meldet, bringt oft schon ein eigenes Päckchen mit und verfügt damit über ein Empathie-Gefühl und soziale Intelligenz. Trotzdem ist das konkrete in Wortefassen, was sie fühlen, ein Lernprozess, der sie anfangs irritiert.“ Und wie halten die jungen Seelsorger*innen trotz40 Stunden Ausbildungskurs die eingehenden Nachrichten aus? Manche können abschalten, manche nehmen das Erfahrene mit ins Bett. Piretzis achtet darauf, dass möglichst niemand ein Thema übernimmt, das die Person triggert. Alle sechs Wochen gibt es Supervision, zur Selbstfürsorge. Hier kann ich mich öffnen, keiner lacht über mich landunter bietet den jungen Ratsuchenden die Möglichkeit, lange mit einer zuständigen Vertrauensperson im Kontakt zu sein. Manche melden sich mehrere Jahre lang immer wieder und üben dadurch auch, „eine Beziehung in einem schamfreien Raum aufzubauen. Wir sind ein Übungsraum für funktionierende Kommunikation für den Alltag.“ Was die 29-jährige Piretzis selbst unter Einsamkeit versteht? „Ein schmerzhaftes Gefühl der Leere und Überforderung.“ In der Mailseelsorge lernen junge Menschen, „wieder zu vertrauen. Erstmal nur der einen Person ohne Namen und Gesicht. Aber sie wissen, es ist 100 Prozent Verlass darauf, dass eine Antwort kommt und keiner über sie lacht. Sie werden in allem, was sie bewegt, ernst genommen und begleitet.“ Junge Menschen, die die Erfahrung machen konnten, ‚es hat mir etwas gebracht, mich zu öffnen‘ werden so ermutigt, auch im Alltag vertrauensvolle Beziehungen neu zu knüpfen und sich über ihre Ängste und Nöte auszutauschen. Mehr auf www.landunter.org
Mailseelsorge Schon seit einigen Jahren bietet die jugend-kultur-kirche sankt peter Seelsorge von Jugendlichen für Jugendliche an. Das Konzept von jungen Menschen für junge Menschen startete vor gut zehn Jahren mit der Idee eines persönlichen Kontakts zu festen Zeiten in sankt peter. Es wurde jedoch schnell zu einem Onlineseelsorgeangebot, das junge Menschen jederzeit nutzen können. Seit Oktober 2024 fungiert die Onlineseelsorge sankt peter unter dem Namen landunter. 20 gut ausgebildete ehrenamtliche Seelsorger*innen werfen seitdem Rettungsringe von jungen Menschen zu jungen Menschen, die sich bei landunter melden. Es ist deutschlandweit eines der wenigen Formate, das auf diese Weise auf Augenhöhe junge Menschen anspricht. Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ Die bundesweite Aktionswoche vom 26. Mai bis 1. Juni 2025 möchte für das Thema Einsamkeit sensibilisieren und auf Angebote vor Ort hinweisen. Sie ist Teil der Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit und richtet sich an Menschen aller Altersklassen.
Von Markus Eisele
Mittwochmorgen. Berliner Straße. Unweit der Paulskirche liegt eine ältere Frau, tief in ihren Schlafsack gehüllt, ihr Gesicht lugt kaum heraus. Daneben die Tüte mit den eingesammelten Flaschen, ihr Tagesverdienst. Ein Mann im Anzug geht auf sie zu. Ich beobachte ihn. Schaut er, wie es ihr geht? Da legt er ihr seine Tüte mit Brötchen hin. Mich rührt diese Geste der Menschlichkeit. Warum? Weil sie auf ein tiefes Mitgefühl für die Lage der Nächsten schließen lässt. Und weil ich zugleich fürchte, dass uns diese Form von Güte zunehmend abhandenkommen könnte, wenn wir nicht sehr aufpassen.
In was für einer Stadt wollen wir leben? Diese Frage sollte uns Frankfurterinnen und Frankfurter gerade jetzt wieder aufs Neue bewegen. Mich jedenfalls beunruhigt die sehr merkliche Diskursverschiebung in unserer Gesellschaft, die besonders im sozialen Bereich sichtbar wird. Der kollektive Egoismus nimmt zu, und manche stellen die Wohlfahrt unter Generalverdacht. Auch in Alltagsgespräche schleichen sich neue Töne, die uns nachdenklich stimmen müssen.
„Eine Innenstadt für alle“ wurde vor wenigen Tagen ein Positionspapier einer Partei überschrieben, das gleichzeitig zumindest einer Gruppe von erkrankten Menschen mit Behinderung das Recht abspricht dazuzugehören, nämlich den Drogenkranken. Die Frankfurter Innenstadt möge sauber und sicher sein, damit wieder ein attraktives Stadtzentrum entstehe, steht dort zu lesen.
Gesehen in einem Frankfurter Stadtviertel. (Foto: Peter Weidemann)
Was aber ist der Preis eines solchen Denkens, das Menschen vor allem als Problem wahrnimmt? Als Träger sozialer Einrichtungen hören wir in letzter Zeit verstärkt, dass die Nichtkonformen, die Auffälligen, den Alltag stören. Seien es die Obdachlosen, die Fremden oder eben auch die Drogenabhängigen – sie sollen möglichst unsichtbar werden, auf Straßen und Plätzen nicht mehr auffallen.
Die Frage, wem unsere Stadt gehört, muss deswegen sehr grundsätzlich gestellt werden. Wer bestimmt, wer sich auf welche Weise an welchen Orten aufhalten darf? Und auch: Welche Wahrheit über die Fragilität unseres Lebens, wie viel Armut und Not, muten wir uns im Stadtbild zu?
Menschen leben nicht von ungefähr auf der Straße, sie waren auch nicht einfach so in der Psychiatrie und liegen nicht ohne Vorgeschichte mit Drogenproblemen am Boden. Wer von den Lebensgeschichten hört, die in Armut, Obdachlosigkeit, Drogensucht und Elend geführt haben, weiß, wie kurz der Weg oft ist.
Abstrakt von diesen Gestrandeten zu sprechen, blendet Kontexte aus und sieht sie als Problem für die „funktionierende Stadt“. Wer hingegen bereit ist, dem einzelnen Menschen zu begegnen und in ihm ein Geschöpf Gottes mit gleicher Würde zu erkennen, der erlangt – in religiöser Sprache – eine Haltung der Barmherzigkeit, öffnet das Herz für die fremde Not und nimmt sich ihrer an.
Das Zusammenleben in unserer diversen und multireligiösen Stadt fußt auf vielen Fundamenten, zugleich ist es weiterhin nachhaltig von der jüdischchristlichen Tradition geprägt. So rühren die jahrtausendealten Bilder der Glaubenstradition auch heute noch viele Menschen an, die sich explizit als nicht religiös verstehen.
„Wenn ein Armer in deiner Mitte ist, so verhärte nicht dein Herz und verschließe nicht deine Hand vor deinem armen Bruder. Geben sollst du ihm wiederholt und dein Herz sei nicht böse, wenn du ihm gibst“ (5. Buch Mose, Deut. 15,7).
Die jüdische Bibel hebt die Rechte der Armen von Beginn an hervor. Der hebräische Begriff zedaka – am ehesten mit Gerechtigkeit und Wohlfahrt zu übersetzen – zielt auf ein am Gemeinwohl orientiertes Handeln. Wer dagegen nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, verpasst „Recht und Gerechtigkeit“. Die Aufforderung, auch in prekärer Lage nach dem Schalom der Stadt, also nach dem sozialen Frieden und Ausgleich zu suchen, ist vom Propheten Jeremia überliefert. Jesus hat sich mit seinen Reden und durch sein Leben in dieser Tradition verstanden und sich klar auf die Seite der Armen und Bedrückten gestellt. Um die, die von vielen anderen ausgeschlossen wurden, hat er sich zuerst gekümmert und fordert Gleiches von anderen:
,,Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lk 6,36)
Erst kürzlich hat der US-amerikanische Vizepräsident J.D. Vance die Lehre des Kirchenvaters Augustinus von der „Ordnung der Liebe“ grob verfälschend ausgelegt, als gebe es eine Rangfolge der Nächstenliebe. Zuerst die eigene Familie und dann in konzentrischen Kreisen zu den immer ferneren „Nächsten“ – falls dann noch ein Rest von Nächstenliebe übrig bleibt. Papst Franziskus hat das noch kurz vor seinem Tod umgehend richtiggestellt: Nächstenliebe kennt keine Rangfolge. Sie ist universell und fragt gerade nicht danach, ob der Nächste der Hilfe würdig ist.
Symbolbild (Foto: Peter Weidemann)
Wenn nun in das private und öffentliche Denken und Reden ein neuer Duktus Einzug hält, der das Wohlgefühl der angeblichen Mehrheit über die Bedarfe und Bedürfnisse der besonders Verletzlichen stellt, wer zahlt dann den Preis? In erster Linie diejenigen, die von Exklusion bedroht sind und deren Rechte und Würde angegriffen werden. In umfassender Perspektive zahlen aber wir alle den Preis, wenn uns die Humanität abhandenzukommen droht. Der Blick über den Atlantik lässt uns erahnen, wie schnell das passieren kann. Nicht umsonst hat Bischöfin Marianne Budde in ihrer Predigt zur Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump eindringlich in Gottes Namen um Milde, Nächstenliebe und politisches Erbarmen für die vielen von Diskriminierung Betroffenen gebeten.
In Deutschland und gerade auch in Frankfurt stehen wir an einem ganz anderen Punkt. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass unser Sozialstaat – bei allen Problemen im Einzelnen – auch weiterhin ein starkes Netz bietet, damit Menschen mit Unterstützungsbedarf eben nicht ins Bodenlose fallen.
Umso mehr muss die Stadtgesellschaft der Versuchung widerstehen, in ein neues Narrativ einzustimmen, das die Verantwortung für Schwierigkeiten im Leben dem Einzelnen zuschiebt und die strukturelle gesellschaftliche Mitverantwortung ausblendet.
Diese Stadt gehört allen, die in ihr leben. Alle dürfen und sollen hier in Frankfurt sichtbar sein. Schon allein dem Gedanken, dass Gebiete wie das Bahnhofsviertel für bestimmte Gruppen der Bevölkerung unzugänglich gemacht werden sollen, ist zu widersprechen.
Wir sind gefordert, auch weiterhin eine Kultur des Rechts und zugleich der Barmherzigkeit, individuell und strukturell, zu leben. Dazu gehört, dass wir als Gesellschaft – in Politik und Verwaltung, in Wirtschaft und Wohlfahrt – die Ursachen für die vielfältigen Problemlagen, seien es Drogenkonsum oder Wohnungslosigkeit oder anderes, angehen, und die Rahmenbedingungen für soziale Einrichtungen mit ihrer fachlichen Expertise sichern. Kurz: Zuwendung statt Ausgrenzung, Hilfe statt Vertreibung und Würde statt Stigma.
Armen und Bedürftigen zu begegnen, führt uns vor Augen, dass es auch diese Wirklichkeit in unserer Stadt gibt. Sich daran erinnern zu lassen, ist eine kostbare Schule des Herzens für uns alle.
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