image @Rolf Oeser

Angekommen in einem Zuhause auf Zeit im Apartment der Diakonie.

„Ich bin hier gut aufgehoben“

Diakonisches Werk bietet 38 Apartments für wohnungslose Frauen in der Frankfurter Innenstadt

Die Waschmaschine dreht sich leise, auf dem Bett liegt ein kuscheliger Überwurf, zwei perlenbestickte hochhackige Pumps stehen zur Zierde auf dem Fensterbrett. Astrid H. (Name geändert) lädt mit ihrer tiefen kräftigen Stimme freundlich zum Gespräch in ihr Apartment ein. Sie gehört zu den ersten Frauen in schwierigen Lebenslagen, die seit Mitte März in die neuen Apartments des Diakonischen Werkes für Frankfurt und Offenbach einzogen. Die 38 Apartments sind komplett neu gebaut, den Aufzug, der die Stockwerke verbindet, sperrt noch ein Band ab.

Wenn er betrunken war, wurde er frech

Astrid H. wohnt ganz oben im 4. Stock, ihr Fenster hat sie gekippt, der Lärm, der von der Straße in der Frankfurter Innenstadt hochdringt, hält sich in Grenzen. Bevor sie hier einzog, war Astrid H. bei einem Bekannten untergekommen. „Ich hatte mein eigenes Zimmer, aber er war Alkoholiker, und wenn er betrunken war, wurde er frech“. Hier, in ihrem hellen freundlichen Einzimmer-Apartment hat sie ihren Rückzugsort gefunden. „Ich bin hier gut aufgehoben“, sagt sie. Und meint nicht nur die erste eigene Wohnung nach zwei Jahren, für die sie einen Nutzungsvertrag mit dem Diakonischen Werk abgeschlossen hat. Sie meint auch die Sozialarbeiterin, „die immer erreichbar ist.“ Eigentlich hat die 50-Jährige einst OP-Schwester gelernt. Mit Mitte 30 begann sie, Drogen zu konsumieren, inzwischen ist sie substituiert, aber sie hat keine Chance, in ihren Beruf zurückzukehren.

Ich hätte nie gedacht, dass mich mal jemand so betrügt

„Früher hatte ich meinen eigenen Kiosk“, erzählt die gebürtige Frankfurterin, sie arbeitete mehrere Jahre als Thekenkraft in Kneipen, bis sie vor zwei Jahren über Nacht alles verlor, was sie sich aufgebaut hatte: Die Wohnung hatte ihr Chef zur Verfügung gestellt, sie zahlte Miete und Kaution, aber immer, wenn sie ihren Namen auf das Klingelschild klebte, riss er ihn wieder ab: „Ich dachte, er spielt mit mir“, sagt Astrid H. Bis sie eines Tages ihre Sachen im Hof des Hauses fand und erfuhr, der Chef müsse jetzt selbst in die Wohnung ziehen. Die Kneipe wurde von einem Tag auf den anderen geschlossen, der Job war ebenfalls weg. „Das hat mich um Jahre zurückgeworfen“, sagt Astrid H. „Ich habe von dem Zeitpunkt an alles schleifen lassen, ich hab mich aufgegeben, ich hab mal hier, mal da bei Bekannten geschlafen, ich war so enttäuscht, ich hätte nie gedacht, dass mich jemand so betrügt.“

Auf der Suche nach Arbeit

Von der Straße dringen Männerstimmen herauf. Astrid H. hat inzwischen wieder Mut gefasst, „ich will mir wieder einen Job suchen, ich brauche was zu tun für meinen Kopf, keine weitere Maßnahme vom Jobcenter, sondern acht Stunden Arbeit, sonst langweile ich mich.“ Gute Erfahrungen hat sie mit persönlichen Bewerbungen gemacht: „Es war eine Zeitlang schwierig wegen Corona, aber es gibt ja viele Lokale hier.“

Wieder ein eigenes Klingelschild

Der Sozialdienst Wohnen und Betreuen des Diakonischen Werkes koppelt das Wohnen in den neu möblierten Apartments mit hellem Laminatboden, großzügigem Bad, Küchenzeile in Holzoptik und dazu passenden Schränken an die Beteiligung der Frauen, ihr Leben zu ordnen. Bei Astrid H. steht einiges an. Anderthalb Jahre lang hatte sie überhaupt keine Postadresse, dann konnte sie Post beim Drogennotdienst an der Elbestraße hinterlegen lassen, jetzt hat sie zum ersten Mal wieder einen eigenen Briefkasten und ein Klingelschild. Gemeinsam mit den Sozialarbeiterinnen vom Sozialdienst Wohnen und Betreuen der Diakonie möchte sie klären, ob ihre Privatinsolvenz inzwischen vom Tisch ist. „Ich bin auch ein paar Mal ohne Fahrkarte gefahren und muss Arbeitsstunden ableisten, aber ich traue mich nicht, beim Gericht anzurufen.“ Astrid H. möchte wieder ein Bankkonto einrichten und einen neuen Personalausweis beantragen. Sie ist zuversichtlich, sie hat eine gute Basis, um alles zu schaffen.

Freie Apartments für wohnungslose Frauen

Noch sind die 38 Apartments in der Nähe der Konstablerwache nicht komplett belegt, aber „der Bedarf ist sehr groß“, sagt Mehri Farzan, die Leiterin des Sozialdienstes Wohnen und Betreuen. Wohnungslose Frauen ab 21 Jahren in prekären Lebenssituationen, die die Unterstützung des Betreuten Wohnens in Anspruch nehmen können, erhalten einen Nutzungsvertrag für zwischengenutzten Wohnraum. Drei größere Apartments mit jeweils zwei Zimmern sind für Mütter mit Säuglingen oder kleinen Kindern gedacht. Das Angebot richtet sich auch an Trans*- und intersexuelle Personen. Sozialarbeiterinnen stehen regelmäßig für Beratungs- und Informationsgespräche für die Bewohnerinnen zur Verfügung, ihr Büro im Haus ist montags bis freitags von 8-17 Uhr besetzt. In Krisen finden die Bewohnerinnen rund um die Uhr Unterstützung.

Angespannter Wohnungsmarkt

Frauen, Trans*- und intersexuelle Personen ziehen aus, sobald eine eigene Wohnung für sie zur Verfügung steht. Allerdings ist dies auf dem angespannten Wohnungsmarkt in Frankfurt am Main durchaus schwierig, sagt Mehri Farzan, Wartezeiten von drei bis vier Jahren bis zum ersten Angebot des Wohnungsamtes sind die Regel. Auch nach dem Auszug aus den möblierten Apartments besteht das Angebot der ambulanten Betreuung weiter. So können alle Fragen besprochen werden, die dann anstehen, damit das Wohnen in den eigenen vier Wänden stabil gelingt.

Interessierte, die aufgrund ihrer prekären Lebenssituation einen Antrag auf Betreutes Wohnen in einem der Apartments der Diakonie der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach stellen wollen, können sich ab sofort bei Mehri Farzan melden:
E-Mail: mehri.farzan@diakonie-frankfurt-offenbach.de und Telefon 069 24 75 149 6303.


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