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Impuls von Museumsdirektor Veit Dinkelaker über den Barmherzigen Samariter.

Den Beruf ergreifen, weil es von Herzen kommt

ERV-Mitarbeitende diskutierten in der Weißfrauen Diakoniekirche zum Thema „Helfen wie der Barmherzige Samariter – passt das heute noch?“

Sie beten mit Menschen, die kurz vor der Abschiebung stehen, sie ermutigen Eltern, ihre Kinder in die Vorschulklasse zu schicken, sie stehen Geflüchteten in allen Lebenslagen zur Seite – aber Samariterinnen? – nein, das sind sie nicht, höchstens ein bisschen. Melisa Ergül-Puopolo, Abschiebungsbeobachterin am Frankfurter Flughafen, Esra Kapancioglu, Leiterin des Kinderhauses Paul-Gerhardt und Nazanin Pohlschmidt, Leiterin der Flüchtlingsunterkunft „Sportfeld Edwards, berichteten am 23. Mai beim Podiumsgespräch in der Weißfrauen Diakoniekirche aus ihrem Leben und darüber, was den Kern ihrer Arbeit ausmacht. Das Podium unter der Moderation von Julia Wiprich, Leitung Weiterbildungsakademie Kindertagesstätten, bildete den Abschluss der Veranstaltung „Helfen wie der Barmherzige Samariter – passt das heute noch“ für Mitarbeitende im Evangelischen Regionalverband Frankfurt und Offenbach (ERV).

Miteinander ins Gespräch kommen
Wie stehen Kirche und Diakonie in der sozialen Arbeit heute da und was hat das mit der biblischen Geschichte von Barmherzigen Samariter zu tun? Diese Frage trieb rund 40 Mitarbeiter:innen um, die auf Einladung von Diakoniepfarrer Markus Eisele und der Weiterbildungsakademie des Fachbereichs Evangelische Tageseinrichtungen für Kinder in die Diakoniekirche gekommen sind. Während dreier Open Space-Diskussionen zu verschiedenen Aspekten des Themas kamen so Mitarbeiterinnen aus Kitas mit Sozialarbeiter:innen aus der Wohnungslosenhilfe der Diakonie in Frankfurt und Offenbach ins Gespräch, Verwaltungskräfte des ERV mit Frauen, die in Senioreneinrichtungen wirken.

Gründungsgeschichte der Diakonie
In seiner Begrüßung sagte Markus Eisele, das biblische Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, der einen Schwerverwundeten am Wegesrand versorgt, in ein Gasthaus transportiert und für dessen weitere Pflege dem Gastwirt Geld dalässt, sei „die Gründungsgeschichte der Diakonie“. Denn es sei unerlässlich, Helfen auf Dauer unabhängig von spontaner Hilfe zu stellen. Heute sei die Arbeit in der Diakonie sehr vielfältig und eine Kirchenzugehörigkeit zurecht in den meisten Fällen keine Voraussetzung mehr.

Immer noch aktuell: Der Barmherzige Samariter*
Veit Dinkelaker, Leiter des Bibelhaus ErlebnisMuseums, das momentan die Ausstellung „Respekt!Die Samaritaner*innen in der Bibel und heute“ zeigt, betonte in seinem Impulsreferat, der Samariter aus der Bibel sei zwar „eine fiktive Gestalt“, doch bis heute Gegenstand von Filmen, Graphic Novels und, als die Erste Hilfe vor etwa 150 Jahren entstand, nannte man sie auch „Samariterdienst“. Durch die Ausstellung im Bibelhaus ErlebnisMuseum (noch bis 30. Juli) entstand auch die Idee, eine Veranstaltung für ERV-Mitarbeitende zu organisieren und mit dem Bibelhaus ErlebnisMuseum zu kooperieren.

Die eigenen Ressourcen im Auge behalten
Weil sie das Thema so spannend fand, erzählt eine Erzieherin am Rande der Veranstaltung, habe sie die Arbeit „ein bisschen geschoben, um teilnehmen zu können.“  Die eigenen Ressourcen, „was kann ich geben – beruflich und privat“, thematisierten Mitarbeiter:innen  auch in drei Diskussionsrunden im Format der Open Space Dialoge. Je zwölf Teilnehmer:innen wählten sich entweder das Thema „Recht, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit: Was ist heute zeitgemäß“ mit Moderator Markus Eisele aus
oder „Welche Rolle spielen Glaube und Konfession beim Hilfehandeln heute?“ mit Pfarrer Veit Dinkelaker oder „Welche Bedeutung haben Diversität, Vielfalt und evangelisch-diakonische Identität für uns heute?“ mit Oberkirchenrätin Christine Zerbst, Leitung Abteilung Personal und Recht im ERV. 20 Minuten Zeit zur offenen Diskussion gab es, anschließend ertönte ein Gong und die Plätze an den Tischen konnten gewechselt werden.

Glaube, Liebe, Hoffnung
In den intensiven offenen Diskussionen kam der Gong meist viel zu früh. Die „evangelisch-diakonische Identität“ wurde in den Gesprächen beleuchtet: „Unser Leitbild Glaube, Liebe Hoffnung gibt uns Orientierung, und die Vielfalt, die in Frankfurt herrscht, verkörpert auch unser Träger, darüber sind wir in den Kitas froh“, sagt eine Teilnehmerin. Hinsehen, aber auch respektieren, dass jemand, der Hilfe bräuchte, diese nicht wahrnimmt, bringt eine andere Teilnehmerin in die Diskussion ein. Und: Keine Hierarchien zwischen Helfenden und Hilfe Annehmenden aufzubauen, sondern auf Augenhöhe zu agieren. Mitarbeitende erleben auch starke Erwartungshaltungen, die sich an die Kirche knüpfen: „Zeigst Du Dich als konfessionsgebunden, wirst Du an den Werten der Institution gemessen.“ Sich abgrenzen zu können beim professionellen Handeln, etwa in der Wohnungslosenhilfe, war ein weiteres Thema. Mehrfach betonten Teilnehmende: „Ich mache den Beruf, weil es von Herzen kommt, da gehört auch die Barmherzigkeit dazu, und ich mache meine Arbeit mit Leidenschaft und Empathie.“

Eine Quelle der Kraft
Im Fazit aus den drei Open Space Dialogen beim Podiumsgespräch wurde deutlich, dass zwar jeder und jede Einzelne helfen kann, im Unterschied dazu der diakonische Anteil aber im „Vorbehaltlosen“ liegt und darin, „dem Ganzen einen Kraftquell zu geben“.

Eine Unternehmenskultur, die fair mit Fehlern umgeht
In seinem Schlusswort zeigte sich Markus Eisele, Theologischer Geschäftsführer des Evangelischen Regionalverbandes, „tief beeindruckt von dem, was Sie erzählt haben“. Er nehme aus den Gesprächen mit, dass Barmherzigkeit auch in einem Ermessensspielraum des Arbeitgebers bestehe, „denn Menschen fallen durch die Maschen des Sozialstaates und nicht alles, was Recht ist, ist auch gerecht.“ Eisele bekannte sich zudem zu einer Fehlerkultur, der „eine Kultur des fairen Miteinanders“ zugrunde liegen solle. Des Weiteren sei es wichtig, sich als Arbeitgeberin im Falle von Missständen auch furchtlos öffentlich kritisch zu äußern.

Nächstenliebe als Ausdruck des Glaubens
Und wie steht es um das Thema Diakonie und Kirchenzugehörigkeit? „Da waren wir ratlos“, bekennt Veit Dinkelaker als Ergebnis aus den Diskussionen an seinem Tisch: Gelebte Nächstenliebe sei auf eine Art immer auch eine Glaubenshandlung, „ganz gleich, ob jemand konfessionell gebunden ist oder nicht.“

Beteiligungsformat für Mitarbeitende soll fortgesetzt werden
Die Auftakt-Veranstaltung soll mit anderen Themen als Beteiligungsformat für Mitarbeitende im ERV weitergeführt werden, kündigte Markus Eisele an. Und eine Teilnehmerin resümiert: „Es war sehr schön, ein neues Verorten, wo man hingehört.“


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